Antonio Salieri

Les Horaces

Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles (Ltg. Olivier Schneebeli), Les Talens Lyriques, Ltg. Christophe Rousset

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Aparte
erschienen in: das Orchester 01/2019 , Seite 67

Während Salieris französische Opern Les Danaïdes und Tartare sich großer Wertschätzung erfreuten, wurde Les Horaces nach der wenig erfolgreichen Uraufführung 1786 von den Zeitgenossen rasch vergessen. Dennoch handelt es sich bei vorliegender Aufnahme der konzertanten Aufführung vom 15. Oktober 2016 aus dem Operntheater des Versailler Schlosses um eine lohnende Neuentdeckung. Der Hauptgrund für den Misserfolg der Uraufführung war zeitgenössischen Quellen zufolge eine zu geringe, die Identifikation erschwerende Emotionalität der Charaktere. Diese Schwäche verwandelt sich für den heutigen Hörer eher in eine Stärke dieser Oper, zumal sie mit etwa achtzig Minuten recht kompakt erscheint. Wer ein klassisches Sujet mit einer intensiven Dramaturgie ohne Liebesschmerz, auffällige Spektakel und ausufernde Tanzszenen schätzt, wird hier gut bedient.
Der Librettist dieser französischsprachigen Oper, Nicolas-François Guillard, hatte die fünfaktige Tragödie von Corneille auf drei Opernakte komprimiert und Camille als starke Frauenfigur in den Mittelpunkt gestellt. Erzählt wird die Geschichte der römischen Horatier und der Bewohner Alba Longas aus frührömischer Zeit. Die Römerin Camille ist mit Curiace aus der mit Rom verfeindeten Stadt verlobt. Die Städte beschließen, jeweils drei Männer sollten um den Sieg kämpfen. Ausgewählt werden die Brüder Camilles sowie Curiace und seine Brüder auf der Seite Albas. Rom entscheidet den Kampf für sich, einzig Horace bleibt am Leben. Camille, die ihren Verlobten verloren hat, verflucht Rom und ihren siegreichen Bruder. Valère wirbt nach Camilles Fluch im Finale um Verständnis für die fassungslose Liebende.
Da Les Horaces von Salieri mehrfach umgearbeitet worden ist, auch um die Erfolgschancen zu erhöhen, existieren mindestens zwei unterschiedliche Finalfassungen. Offenbar hatte es 1786 nur drei Aufführungen gegeben. Ei­ne Partitur wurde nie gedruckt, sodass die Oper aus Manuskripten rekonstruiert werden musste. Welche Fassung dabei zur Vorlage genommen wurde oder ob sich die Rekonstruktion aus mehreren Fassungen speist, geht aus dem Programmbuch leider nicht hervor.
Christophe Rousset zelebriert diese Oper mit seinem Ensemble vital und klangschön mit abwechslungsreichen Tempi und ausgearbeiteten dynamischen Abstufungen. Die Solisten (Judith van Wanroij/Eugénie Lefebvre, Sopran; Cyrille Dubois, Tenor; Julien Dran, Tenor/Bariton; Philippe-Nicolas Martin, Bariton; Jean-Sébastian Bou/Andrew Foster-Williams, Bassbariton) harmonieren stimmlich untereinander. Einzig das ausgeprägte Vibrato Foster-Williams’ mag nicht recht zum an der historischen Aufführungspraxis orientierten schnörkellosen Gesamtklang passen. Der Chor sorgt mit sechs Countertenören anstelle der tieferen Frauenstimmen für eine ausdrucksstarke Darstellung der römischen Bevölkerung.
Das Programmbuch enthält, durchgängig zweisprachig franzö­sisch/ eng­lisch, neben dem Text auch einen wissenschaftlichen Beitrag zum Hintergrund der Oper sowie Bemerkungen zum Entstehungsort der Aufnahme und zu den Musikern.
Karim Hassan