Silke Leopold
Leopold Mozart: „Ein Mann von vielen Witz und Klugheit“
Eine Biografie
Fiele nicht sein dreihundertster Geburtstag ins Jahr 2019, so wäre wohl dieses Buch nicht entstanden: Silke Leopolds Würdigung Leopold Mozarts, dessen Leben bisher meist lediglich im Kontext der Biografie seines Sohnes Wolfgang Amadeus betrachtet wurde. Eine eigene Monografie über Leopold Mozart legte bisher nur Erich Valentin im Jahr 1987 (anlässlich dessen zweihundertsten Todestages) vor, und umso begrüßenswerter ist es, dass nun ein weiterer Versuch vorliegt, den Vater eigenständig ins Blickfeld zu rücken.
Dass sich in der Biografie Leopold Mozarts trotz allen Forscherfleißes die eine oder andere Lücke auftut, versucht Silke Leopold gar nicht erst zu kaschieren. Wie sich der Wechsel des Buchbindersohns vom heimatlichen Augsburg nach Salzburg und zum Musikerberuf genau vollzog, oder wie Leopold Mozart seine Gattin kennenlernte, muss im Nebel des „Wir wissen es nicht“ bleiben. Was auf Basis der überlieferten Quellen jedoch klar darstellbar ist, ist ein Charakterporträt des Mozart-Vaters.
Die Autorin zeichnet Leopold Mozart als facettenreiche Person: als frommen Katholiken, der dennoch persönliche Kontakte mit der Aufklärung im protestantischen Norden Deutschlands knüpft; weiter als einen Mann, der in untertäniger Stellung ein gutes Maß an Widerspruchsgeist entwickelt; und schließlich als einen lebensklugen Organisator, was die Wunderkind-Karriere seines Sohnes betrifft, wobei ihm nur eines nicht gelingt: diesen zu gleicher Tüchtigkeit in den Geschäften des Alltags zu erziehen.
Festgestellt wird Leopold Mozarts Eigenwert nicht allein als Verfasser des Versuchs einer gründlichen Violinschule (im Kontext anderer Mitte des 18. Jahrhunderts erschienener Instrumentalschulen), sondern auch als schöpferischer Musiker. Deutlich macht Silke Leopold, dass es verfehlt wäre, Leopold Mozart nur als Komponisten schnurriger Programmstücke wie der Musikalischen Schlittenfahrt oder der (in der Zuschreibung allerdings unsicheren) „Kindersinfonie“ zu sehen. Einer angemessenen Würdigung im Wege steht freilich der Umstand, dass nur ein Bruchteil der im eigenhändigen Werkverzeichnis genannten „contrapunctischen und anderen Kirchensachen“, „Synfonien“, Serenaden, Konzerte und Oratorien erhalten bzw. sicher zuschreibbar ist.
„Der Ratgeber“, auf den der inzwischen in Wien lebende und gegen den Willen des Vaters verheiratete Sohn freilich kaum mehr hört, und „Der Großvater“: So überschreibt die Musikwissenschaftlerin Silke Leopold die beiden Schlusskapitel über die späten Jahre Leopold Mozarts, wobei sie das gängige Bild vom vereinsamten und verbitterten Greis revidiert, indem sie auf Leopolds Aktivitäten auch in den späten Lebensjahren verweist. Eine im Anhang enthaltene Bibliografie sowie eine überblicksartige Zeittafel ergänzen dieses aus aktuellem Anlass entstandene, aber sicher dauerhaft wertvolle Porträt Leopold Mozarts.
Gerhard Dietel