Eichhorn, Andreas (Hg.)
Leonard Bernstein und seine Zeit
Stetig wächst die verdienstvolle Reihe Große Komponisten und ihre Zeit im kleinen, aber feinen Laaber-Verlag. Jüngstes Produkt ist der Band über Leonard Bernstein, für den der an der Kölner Universität lehrende Musikwissenschaftler und -pädagoge Andreas Eichhorn als Herausgeber und Teilautor verantwortlich zeichnet. Ihm ist es hervorragend gelungen, mit einer vielseitigen Sammlung von Einzelbeiträgen ein facettenreiches Porträt des Jahrhundertmusikers Bernstein zusammenzutragen.
So rundet sich auf überzeugende Weise aus Einzelbausteinen das Profil eines einzigartigen Allroundmusikers, von dem alle wesentlichen Aspekte seiner vielfältigen und weltumspannenden Aktivitäten zur Sprache kommen. Dass diese Würdigung nicht ausschließlich euphorisch gerät, sondern durchaus auch den einen oder anderen (berechtigten) kritischen Unterton zulässt, ist besonders hervorzuheben. Mit einer einzigen Ausnahme zeichnen sich die Beiträge durch das weitgehende Fehlen eines wissenschaftlich-elitären Jargons aus; stattdessen ergänzen sie sich durchweg in ihrer flüssigen und sachbezogenen Diktion.
Sehr durchdacht und sinnvoll erscheint auch die Auswahl der Themen und ihre Anordnung: von allgemeinen zeitbezogenen Betrachtungen etwa zur amerikanischen Musik und zu Bernsteins Verhältnis zum Judentum über eine Reihe von Einzelbeiträgen zu Bernsteins Schaffen und zu seiner immensen musikalisch-praktischen und musikpädagogischen Wirkung bis hin zu seiner besonderen Beziehung zu einzelnen Menschen, Ensembles und auch Orten wie Wien oder Israel. In einem Anhang fügen sich nahtlos einzelne stärker analytische Aufsätze zu Einzelwerken an; sie bemühen sich alle erfolgreich um Verständlichkeit, ohne übermäßig musikwissenschaftliches Spezialistentum vorauszusetzen oder hervorzukehren. Ergänzt wird das Ganze durch eine gute Auswahl an Abbildungen.
Wenige Einschränkungen müssen jedoch angesprochen werden: Der Aufsatz von Frédéric Döhl (Eklektizismus: Candide und Mass) hätte in seiner gespreizten und phasenweise fast unverständlichen Bemühtheit dringend einer gründlichen Überarbeitung bedurft (Eklektizismus ist [
] ein heikler Begriff. Dem muss man sich bewusst sein), zumal Döhl auf die beiden Werke kaum näher eingeht, sondern sich fast nur in wolkigen Auslassungen über Eklektizismus ergeht.
Ein zweiter Einwand betrifft Grundsätzliches: Die zunehmende existenzielle Notlage vor allem kleiner Verlage führt leider immer häufiger dazu, dass man offensichtlich am Lektorat sparen muss. So kommt es zu manchen ärgerlichen Druckfehlern. Und warum nur werden dem interessierten Leser Informationen zu den einzelnen Autoren vorenthalten?
Insgesamt aber schmälern diese kleinen Bedenken nicht die Bedeutung dieses informativen und umfassenden Lebensbildes, das sich würdig in die gesamte Reihe einfügt.
Arnold Werner-Jensen