Wolfgang Kau

Leitfaden zu Wagners Ring

Siegfried, Götterdämmerung, Die Walküre, Das Rheingold, 4 Bd.

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Königshausen & Neumann, Würzburg
erschienen in: das Orchester 5/2023 , Seite 63

Die Dichtung zu Richard Wagners vierteiligem Opernzyklus Der Ring des Nibelungen ist nicht beliebt. Der Autor Wolfgang Kau forscht nach den Gründen und er findet Beispiele dafür, die die Vorbehalte gegen Wagners Dichtung widerlegen. Letzterer gab selbst zu, dass sein „Gedicht“ mit dem gewundenen Satzbau sperrig sei. Doch es gibt auch immer wieder leuchtende sprachliche Höhepunkte.
Besonders gründlich hat Kau hier den Schluss von Siegfried, dem dritten Teil des Zyklus, untersucht, der ja für die beiden Darsteller Siegfried und Brünnhilde auf der Bühne anstrengend ist. Siegfrieds Antwort auf Brünnhildes Ausruf „O Siegfried! Leuchtender Spross! Liebe dich, und lasse von mir: vernichte dein Eigen nicht!“ beginnt mit einem bemerkenswerten Liebesbekenntnis, das in den Wunsch mündet, Brünnhilde möge ihn lieben, erläutert Kau sinngemäß. Und auch die Qualität des Textes steigert sich bei diesen Passagen bis zum Ausruf „Leuchtende Liebe, lachender Tod!“ in recht eindrucksvoller Weise. Kau weist darauf hin, dass diese Schlussworte das zent­rale Thema von Richard Wagners Oper Tristan und Isolde widerspiegeln.
Noch plausibler sind Kaus Ausführungen hinsichtlich des Finales der Götterdämmerung. Für Kau ist der Ring nicht nur Freiheitsappell, sondern auch ein Plädoyer für Nächstenliebe. Nach Kaus Auffassung markiert der Flammentod der Götter trotz der apokalyptischen Schluss-Szene keinen Weltuntergang. Dagegen würde das Überleben mehrerer Hauptpersonen wie Erda und die Nornen, Alberich, Gutrune und die Rheintöchter sprechen, die das Inferno überstehen.
Wolfgang Kaus Leitfaden zu Wagners Ring ist ein sehr gründliches Buch, das Zeile für Zeile durch den Originaltext der Orchesterpartitur führt. Den ursprünglich liebesbejahenden Feuerbach-Schluss habe Wagner durch einen resignierenden Schopenhauer-Schluss ersetzt, führt Wolfgang Kau weiter aus. Und in der Endfassung schließe Wagners Ring wortlos mit einer Welt, die in den Händen der Menschen liege. Das ist durchaus plausibel. Sehr präzise beschreibt er außerdem Wotans Abschied von Brünnhilde – eine der wichtigsten Szenen des Werkes. Hier bietet das Buch auch neue Erkenntnisse. Wotan erscheint bei Kau als Überbringer einer fremden Botschaft, wenn es um die Verwandlung Brünnhildes zur Menschenfrau geht. Gleichzeitig möchte Wotan seiner Tochter nicht deren Göttlichkeit nehmen.
Fazit: Auch als Dichter hat Richard Wagner eine zentrale Bedeutung. Gerade die eigenwilligen Wortschöpfungen ergänzen das musikalische Geschehen treffend.

Alexander Walther