Hannah Bregler

Leistungssport gleich ­ Leistungsmusik?

Prävention für Berufsmusiker: Was der Orchesterbetrieb vom Profisport lernen kann

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 30

Im Laufe ihrer Karriere sind Berufsmusikerinnen und Berufsmusiker zahlreichen physiologischen, sozialen und psychischen Anforderungen ausgesetzt. Ihr Alltag ist von permanenter Höchstleistung unter Stressbedingungen geprägt, weshalb der Musikbetrieb häufig mit dem Leistungssport verglichen wird.

Sport und Musik: Ausübende beider Disziplinen auf Profi-Niveau durchlaufen jahrelange Trainings- oder Übeeinheiten vom Kindesalter an, stoßen an die Grenzen menschlicher Leistungsfähigkeit und körperlicher Belastbarkeit und gehen damit gesundheitliche Risiken ein. Ihr Leben ist von unregelmäßigen Arbeitszeiten, häufigem Reisen und ständiger Selbstkritik geprägt. Körperliche Schmerzen, neurologische Fehlschaltungen oder chronische Krankheiten sind bei Musikern allerdings ein weit verbreitetes Tabu und Coaching-Angebote unterscheiden sich qualitativ stark von den Angeboten im Leistungssport. Hier verfügt die Sportmedizin gegenüber der Musikermedizin über einen deutlichen Wissensvorsprung. Die mentale Betreuung von Profisportlern ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Leistungssport und schon während der Ausbildung in jungen Jahren gehört psychologische Begleitung und das Erlernen von mentalen Techniken selbstverständlich zum Trainingsalltag.
Da Berufsmusiker im Vergleich zu den relativ kurzen Karrieren von Spitzensportlern jahrzehntelang ihr Instrument spielen, lohnt sich ein Blick in die Trainingsmethoden des Leistungssports, um aus den Erfahrungen zu lernen und übertragbare Methoden in den Musikbereich zu adaptieren. In vielen Bereichen ähneln sich die Herausforderungen, die im Folgenden in Kürze gegenübergestellt werden.

Auftrittsangst – Wettkampfangst

Lampenfieber und Auftrittsangst sind häufig Auslöser für chronische psychische Leiden. Für professionelle Musiker ist Lampenfieber ein Teil der Berufsrealität und kann leistungsfördernd, leistungsbeeinträchtigend und leistungsverhindernd wirken. Letzteres ist gleichbedeutend mit der Auftrittsangst, welche zu enormem psychischen Druck und zu chronischen Problemen führen kann. Während Auftrittsangst im Musikbereich erst in den letzten rund 30 Jahren erforscht und in den Fokus gerückt wurde, hat der Einfluss von Angst auf sportliche Leistungen in der Sportpsychologie eine lange Tradition und ist die am häufigsten untersuchte Emotion.
Wie im Musikbereich zwischen Lampenfieber und Auftrittsangst unterschieden wird, wird im Leistungssport von der Zustandsangst (state anxiety) und der Ängstlichkeit oder Eigenschaftsangst (trait anxiety) gesprochen, die die Eigenschaft einer Person beschreibt, bestimmte Situationen als bedrohlich zu bewerten. Ist die Eigenschaftsangst ausgeprägter, bewertet die Person eine Situation schneller als Bedrohung und reagiert mit einem höheren Anstieg ihrer Zustandsangst.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2022.