Tatjana Böhme-Mehner

Leipziger Mörderquartett

Kriminalroman

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Gmeiner-Verlag
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 67

Der Abend beginnt schlecht für die Leipziger Musikkritikerin Anna Schneider: Das Streichquartettkonzert, über das sie berichten soll, findet in einem schmuddeligen Nachtclub statt, der Bratscher Thorsten Steinmüller scheint ausgerechnet bei Mozarts Kleiner Nachtmusik den Faden zu verlieren und dann schüttet ihr in der Pause auch noch ein Mann versehentlich ein ganzes Glas Rotwein über ihr Kleid. Dass der ungeschickte Besucher sich als Bratscher mit dem bemerkenswerten Namen Habakuk C. Brausewind vorstellt, macht die Sache auch nicht besser. Als jedoch im zweiten Teil der Darbietung ein Ensemblemitglied, eben jener Thorsten Steinmüller, unvermittelt von einem herabfallenden Scheinwerfer erschlagen wird, erkennt Anna, dass es hier um mehr geht als um eine Konzertkritik – und als sich dann noch herausstellt, dass es sich um einen gezielten Anschlag handelte, ist Annas Traum, eine große Enthüllungsgeschichte zu schreiben, plötzlich zum Greifen nah. Kurz entschlossen macht sie sich gemeinsam mit Habakuk daran, den Mord aufzuklären.
Tatjana Böhme-Mehner ist Musikwissenschaftlerin und arbeitete viele Jahre lang als Musikkritikerin. Ihre Kenntnis der Musikszene durchzieht die Prosa ihres Krimis, wenn sie von den Interna des Instrumentenhandels erzählt, von den Schwierigkeiten, als Musikredakteurin, die „bestenfalls schiefe Töne und wackelnde Metren“ anprangern kann, in der Redaktion ernst genommen zu werden, oder von den komplizierten Beziehungen zwischen den Mitgliedern eines Streichquartetts. Mit leichter Hand treibt Böhme-Mehner die Handlung voran und lässt ihre beiden Protagonisten auf immer neue Rätsel stoßen: War tatsächlich Thorsten Steinmüller Ziel des Anschlags oder womöglich nur seine Bratsche, die Habakuk eigentlich nach dem Konzert kaufen wollte? Wie passt der dubiose chinesische Instrumentenhändler, auf den Habakuk und Anna stoßen, ins Bild? Steckt ein Versicherungsbetrug hinter dem Fall? Geht es um Erpressung oder hat sich Steinmüller in der Schwulenszene, in der er verkehrte, Feinde gemacht? Und was hat eigentlich seine Familie, die bekannte Musikerdynastie Steinmüller, mit all dem zu tun?
Es ist ein feiner, kleiner Krimi, flott erzählt und mit viel Humor, etwa in der Person von Habakuk C. Brausewind, der nicht nur mit seinem Namen gestraft ist, sondern auch mit der Tatsache, dass er ausgerechnet Bratsche spielt, also ein Mitglied jener Instrumentengruppe ist, „über deren Tollpatschigkeit und Unvermögen es die meisten Witze gab“. Diese Einblicke in die Musikszene machen Böhme-Mehners Roman zu etwas Besonderem, zu einem leichten Lesevergnügen für Musikkenner und musikliebende Krimifreunde.
Allzu strenge literarische Maßstäbe sollte man freilich nicht anlegen, aber auch wenn die Prosa etwas hölzern und die Handlung mitunter allzu grob gestrickt wirkt, verspricht der Krimi doch immerhin ein paar vergnügliche Lesestunden mit musikalischem Beigeschmack.
Irene Binal