Werke von Mozart, Mendelssohn Bartholdy, Bruckner und anderen

Legendary Eterna Recordings

Staatskapelle Berlin, Ltg. Otmar Suitner/ Günther Herbig

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 02/2021 , Seite 67

Neben der CD-Box 450 Years Staatskapelle Berlin – Great Recordings, die auf 15 CDs mit Einspielungen von Richard Strauss bis zum amtierenden GMD Daniel Barenboim fast das ganze 20. Jahrhundert umfasst (siehe das Orchester 11/20, S. 66), wurde Berlin Classics mit einer Edition zum Jubiläum der Staatskapelle Berlin ausschließlich unter Otmar Suitner (1922-2010) und Günther Herbig (*1931) aktiv. Von 1964 bis 1990 prägte der Österreicher Suitner für die Staatskapelle Berlin eine Ära, hinterließ zahlreiche Einspielungen und pendelte zwischen seinen beiden Lebenspartnerinnen/ Familien in Ost und West.
Nach welchen Kriterien gestattet man eine Hommage, in der es neben dem Jubiläum auch um die Repräsentation einer spezifischen historischen Epoche geht? Hier entschied man sich für eine Auswahl vor allem mit Werken von Komponisten aus der Heimat des Dirigenten: Mahler, Bruckner, die symphonische Fantasie über die an der Wiener Staatsoper uraufgeführte Frau ohne Schatten von Richard Strauss, Mozart-Ouvertüren und eine Rarität wie Hugo Wolfs Penthesilea. Dieser Schwerpunkt ist allerdings keineswegs repräsentativ für das in der DDR gepflegte Repertoire. Suitner war für die DDR ein wichtiger Dirigent von Uraufführungen.
Auffallend ist der mit größerem Zeitabstand deutlich erkennbare Grad künstlerischer Geschlossenheit von Suitners Studioeinspielungen. Er bestätigt sein für Mozart und die Moderne gleichermaßen gültiges, ausgleichendes wie ausgeglichenes Klangideal, das die Staatskapelle Berlin kongenial reali-sierte. In der hohen Wiedergabequalität der aus romantischer Perspektive angegangenen Mozart-Ouvertüren und der weich ausladenden Gestaltung von Mahlers 2. Symphonie ist auch jene fast übersteigerte Rundung zu erleben, die Suitner 1987 bei einer Freischütz-Produktion in München die Schelte des überregionalen West-Feuilletons eingebracht hatte.
Anders als Suitner startete Günther Herbig, nachdem er 1984 die DDR nach einem Streit mit dem SED-Politbüro verlassen hatte, im Westen und hatte nach der Wende eine stabile Karriere. Regelmäßig trat er als Gast an das Pult der Staatskapelle Berlin und wurde nach 1970 deren wichtigster Konzertdirigent.
Neben Suitners Einspielungen aller Beethoven-, Brahms- und Dvořák-Sinfonien sowie Gesamtaufnahmen von Mozarts Così fan tutte, die der legendären Aufführung im Apollosaal folgten, und des von Suitner gegen die Kulturbehörden leidenschaftlich verteidigten Palestrina von Hans Pfitzner ist diese Box ein aufschlussreicher Wegweiser zu Suitners Leistungen im Repertoire-Kernzeitraum vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur DDR-Gegenwart. Deshalb wird sie ein wichtiges, wenn auch die Moderne weitgehend ausklammerndes Dokument für die hochrangigen Leistungen repräsentativer Hochkultur in der DDR. Erkennbar bleibt das staatliche Selbstbewusstsein in Hinblick auf Traditionspflege und die Kulturversorgung der Werktätigen durch erschwingliche Tonträger.
Roland Dippel