Milan Turković
Lebensklänge
Eine Erinnerung
„Die Fagottbläser sind im Grunde gutmütig, äußerlich scheinbar lichtscheu und eingezogen, aber originell und wunderlich, humoristisch unter Bekannten.“ Diese Beschreibung aus der Neuen Musikzeitung von 1882 trifft auf Milan Turković, den herausragenden österreichisch-kroatischen Musiker, bewundert als Fagottist und respektiert als international gefragter Dirigent, nur zum Teil zu.
Lichtscheu war er nie, im Gegenteil: Nach dem von ihm selbst gewählten Ende seiner Karriere als Fagott-Solist hat er sich der Schriftstellerei zugewandt. 2019, im Umfeld seines 80. Geburtstags ist nun sein mittlerweile fünftes Buch erschienen. Waren seine bisherigen literarischen Werke, die für Musikliebhaber äußerst amüsant zu lesen sind, eher Einblicke hinter die Kulissen des professionellen Musikbetriebs, oder musikalische Tagebücher mit pikant servierten Anekdoten, so ist Lebensklänge sein persönlichstes Buch, das uns teilhaben lässt an den autobiografischen Berichten des Menschen Milan Turković.
In den ersten Kapiteln beschreibt er seine Kindheit in Zagreb inmitten des Zweiten Weltkriegs, seiner Geburtsstadt. Seine „Mutter Courage“ Irmgard Overhoff-Turković eine erfolgreiche Sängerin, war nach dem frühen Tod seines Vaters die wichtigste Bezugsperson. 1948 zog die Familie nach Wien, ein Teil der Wohnung wurde an Künstler vermietet. Der Rheinländer Fritz Zaum lehrte ihn dort das Dirigieren und er erwarb Kenntnisse, von denen er bis heute profitiert. Zum Fagott kam Turković an der Wiener Musikakademie. Man empfahl ihm ein Instrument, auf dem die Berufschancen am größten waren.
Seine Erinnerungen erzählt Turković nicht chronologisch. Er springt durch verschiedene Zeitebenen, nimmt die Leserschaft mit zu seinen Engagements bei der Philharmonia Hungarica, den Bamberger Symphonikern, den Wiener Symphonikern und in die Entstehungszeit des Ensemble Wien-Berlin. Und immer wieder geht er ins Private: Das berührende Kapitel über die Liebe seines Lebens, die prominente Eiskunstläuferin und Fernsehmoderatorin Ingrid Wendel, liest sich wie ein einziger Liebesbeweis. Altersweise verarbeitet er an anderen Stellen des Buchs persönliche Niederlagen und schildert das Gefühl des Älterwerdens.
Als Professor lehrte Milan Turković am Mozarteum in Salzburg und an der Universität für Musik in Wien. Mit passionierter Ehrlichkeit beschreibt er das Wesen seines Unterrichts. Dreh- und Angelpunkt des Musikstudiums ist für ihn die Entwicklung der künstlerischen Persönlichkeit. Gegenseitige Inspiration war sein Katalysator; blieb diese aus, fühlte er sich schnell fehl am Platz. Viele seiner Studierenden spielen heute an den „vorderen Pulten“ von Spitzenorchestern. Und inspirieren kann er immer noch.
Lebensklänge ist somit ein sehr unterhaltsames Buch, welches aber auch zum Nachdenken anregt. Alles, was er erreicht hat, hat Turković sich hart erarbeitet. Glück, so sein bescheidenes Credo, sei neben seiner Begabung ein entscheidender Faktor seines Erfolgs gewesen. Man darf gespannt sein, welche Projekte er als Nächstes angeht.
Holger Simon