Camille Saint-Saëns

Le Carnaval des Animaux

für Kammerensemble, Urtext, Studienpartitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2021
erschienen in: das Orchester 09/2021 , Seite 79

Seinen Karneval der Tiere wollte Camille Saint-Saëns zu Lebzeiten nicht im Druck erscheinen lassen, denn er befürchtete, dieses humoristische Gelegenheitsprodukt würde so populär werden, dass dadurch sein übriges Œuvre in den Schatten gestellt würde. Genau so ist es dann auch gekommen, als der Karneval posthum publiziert wurde.
Camille Saint-Saëns gehört heute zu den vielen Stiefkindern des Konzertbetriebs, die nur mit einem geringen Teil ihres Schaffens präsent sind, obwohl in seinen von 1852 bis 1921 reichenden schöpferischen Jahren ein umfangreiches Œuvre entstand, das viel Reizvolles enthält: Sinfonien, Konzerte, Opern, Kammermusik, Lieder und sogar eine Filmmusikkomposition, mit der Saint-Saëns noch in fortgeschrittenem Alter einen ersten Beitrag zu der neu entstehenden Gattung lieferte.
Die Ursprünge des Karneval der Tiere reichen wohl in die Jahre ab 1861 zurück, als Saint-Saëns an der Pariser École Niedermeyer unterrichtete und die trockenen Unterweisungen durch musikalische Parodien und Karikaturen auflockerte, wie seine Schüler, darunter Gabriel Fauré und Eugène Gigout, später berichteten. Doch ausgearbeitet wurde Saint-Saëns’ „Grande Fantaisie zoologique“ erst 1886. Die Uraufführung am „Mardi Gras“, dem Fastnachtsdienstag, unter Leitung des Flötisten Paulo Taffanel und mit dem Komponisten selbst an einem der Klaviere wurde zum großen Erfolg.
Die wachsende Popularität des Carnaval in der Folgezeit machte Saint-Saëns misstrauisch, sodass er ab Mitte der 1890er Jahre weitere Aufführungen untersagte und nur die Publikation eines Einzelstücks erlaubte: die des „Schwan“ in einer Bearbeitung für Cello und Klavier zweihändig.
Aufgrund dieser Veröffentlichungsgeschichte ist die Zahl der Probleme, die für die vorliegende Urtext-Ausgabe gelöst werden mussten, überschaubar. Sie fußt primär auf dem in der Pariser Bibliothèque nationale de France erhaltenen Autograf und in zweiter Linie auf dem posthumen Erstdruck von 1922. Die bemerkenswerteste Abweichung zwischen beiden Quellen betrifft den „Elefant“, wo die Kontrabassstimme im Druck in den Takten 21 bis 28 eine Oktave nach oben versetzt ist, was inzwischen zur Gewohnheit geworden ist und möglicherweise auf die kurze Aufführungspraxis des Werks in den 1890er Jahren zurückgeht; entsprechende Stimmen sind freilich nicht erhalten.
Die vorliegende Edition des Carnaval des Animaux entspricht den Standards, wie man sie von einer Urtext-Ausgabe erwartet. Die Studienpartitur enthält ein Vorwort in deutscher, englischer und französischer Sprache sowie einen abschließenden Kritischen Bericht, der in Deutsch und Englisch auf Quellenlage und -bewertung eingeht. Die Stimmen der einzelnen Instrumente inklusive der kurzen Partien für Glasharmonika und Xylofon, welche jeweils nur bei einer der vierzehn Nummern der Partitur beteiligt sind, sind spielfreundlich eingerichtet, was Wendestellen betrifft.
Gerhard Dietel