Hendrik Fuß
Le Carnaval de l’Éléphant
für Kontrabass und Klavier
Was hätte Camille Saint-Saëns auch anderes machen sollen? Im Karneval der Tiere musste es dem Kontrabass vorbehalten bleiben, den Elefanten darzustellen. Zugleich ironisiert Saint-Saëns das beliebte Klischee sogleich, indem er just im L’Éléphant-Satz zwei Werke zitiert, die für schwebende Leichtigkeit schlechthin stehen: das Scherzo aus Mendelssohns Sommernachtstraum-Musik und Berlioz’ „Danse des sylphes“ aus Fausts Verdammnis. Ironiegeprägt ist auch jener Moment in Saint-Saëns’ L’Éléphant, da das Geschehen urplötzlich einen Halbton aufwärts rückt – von Es-Dur nach E-Dur – und alsbald wieder ermattet hinabsinkt.
All dies und noch mehr treffen wir auch im Virtuosenstück Le Carnaval de l’Éléphant von Hendrik Fuß an. Aus erregtem Klavier-Tremolo – erinnernd an das Entrée der Löwen im Original-Karneval der Tiere – erhebt sich, dreimal ansetzend, der Kontrabass, bis er schließlich beim ersten Etappenziel anlangt: einem Walzer, dem die Umkehrung des „Danse des sylphes“-Themas zugrundeliegt. Ebenfalls umgekehrt (von E-Dur nach Es-Dur) vollzieht sich hier der Tonarten-Hüpfer. Bald ist das erste tongetreue Zitat des Saint-Saëns-Elefanten erreicht, doch schon nach wenigen Takten wird es zum Gegenstand von Variationen.
Aus diesem Material entwickelt Hendrik Fuß ein gleichermaßen vergnügliches wie hochvirtuoses Kabinettstück für fitte Bassist:innen. Der Carnaval richtet sich, so der Komponist, „primär an Kontrabass-Studenten und Berufsmusiker“. Nach einer ausladenden, mit Doppelgriffen und Arpeggien gespickten Kadenz folgt unter anderem eine bemerkenswerte Reminiszenz an den berühmten „Schwan“: Im „tempo di cigno“ lässt der Bass allerdings nur die ersten Takte der berühmten Cello-Pièce in hoher Lage anklingen, während das Klavier über mehr als 20 Takte selbstvergessen im Schwanen-Duktus weiterfantasiert und die anschließende Wiederkehr der Mendelssohn- und Berlioz-Zitate im Kontrabass-Part weich unterlegt. Eine schweißtreibend-rasante Coda bringt den Satz zum effektvollen Abschluss.
Die Ausgabe enthält neben der „nicht-transponierenden“ eine zweite Version des Stücks, in der der (im Übrigen recht anspruchsvolle!) Klavierpart um einen Ganzton nach oben transponiert ist. In dieser Form lässt sich der Carnaval auch mit Kontrabass in Solostimmung (fis, h, e, a) spielen.
Näheres über den Komponisten verrät die Notenausgabe leider nicht. Aus anderen Quellen erfahren wir, dass der 1976 Geborene nach zunächst autodidaktischen Studien als vielseitiger Bassist und seit über zehn Jahren auch als gesuchter Pädagoge in München wirkt. Ein origineller Komponist ist er zudem, dies spricht unmittelbar aus den Noten seines Carnaval. Zugreifen! Wer es kann, soll es spielen!
Gerhard Anders