Goehr, Alexander
Largo Siciliano
Trio for Violin, Horn and Piano op. 91
Alexander Goehr (geb. 1932) ist vor allem als Komponist von Opern hervorgetreten. Sein Schaffen umfasst auch Sinfonien, Konzerte und Werke für Ensemble. Das unlängst erschienene Trio für Violine, Horn und Klavier op. 91 Largo Siciliano wurde zum 80. Geburtstag Goehrs am 5. Juli 2012 beim Cheltenham Music Festival vom Nash Ensemble (Marianne Thorsen, Violine; Richard Watkins, Horn; Ian Brown, Klavier) uraufgeführt.
Der Einfluss von Kompositionstechniken Messiaens ist zu hören (Goehr ergänzte sein Kompositionsstudium am Royal Manchester College of Music mit Studien bei Olivier Messiaen in den Jahren 1955 und 1956): Die Integration von Modi, für Messiaen typische rhythmische Notierung, zwischen extremen Ausdruckswerten und dynamischen Gegensätzen wechselnde Solopassagen rücken das Trio in die Nähe bekannter Kompositionen Messiaens. Aber auch weiterer berühmter Vorgänger wird gedacht. Eine Komposition für Violine, Horn und Klavier zitiert vielleicht György Ligetis berühmtes Trio für Violine, Horn und Klavier (1982)
herbei, erinnert aber unweigerlich an Johannes Brahms Horntrio op. 40 (1865), selbst wenn sie sich davon absetzt. Zu stark war und ist die historische Ausstrahlung des Brahms-Trios. Eine Distanzierung geschieht hier aber nicht im Gegenteil: Auf den dritten Satz des Brahms-Trios (Adagio mesto) in es-Moll wird in der einsätzigen Komposition Goehrs mehrmals angespielt. Nun ist der dritte Satz des Brahms-Trios eine Art Ombra-Szene: schwer den auch leichte Elemente enthaltenden 6/8-Rhythmus (mit Siciliano-Anklängen) überformend, harmonisch dunkel malend und färbend, mit der Einbeziehung eines Naturhorns an ferne Weiten erinnernd. Diese Klangwelt wird aufgerufen wie diejenige Messiaens, wobei beide amalgamiert und transformiert werden. Goehrs Trio beschwört stellenweise die schwermütige Aura Brahms, setzt sich aber davon ab.
Und noch eine weitere Dimension tut sich auf: die Tradition des barocken Sicilianos, das Schmerz und Lieblichkeit (Naturidylle) zu vereinen sucht. Siciliano-Elemente, z.B. der charakteristische ungerade punktierte Rhythmus, sind immer wieder zu hören, werden aber nach ihrem Erscheinen gestört, verformt. Auch das Spiel mit Synkopen erinnert an das barocke Vorbild.
Spielanweisungen sind gebräuchlich. Nicht die einzelne Stimme stellt größere Anforderungen an die Interpreten, doch das Zusammenspiel der drei Instrumente ist sehr diffizil auskomponiert und erfordert große Aufmerksamkeit. Wechselnde Kombinationen der drei Instrumentenfarben, wechselnde Solorollen auch, dienen der Gliederung und der Kontrastierung. Eine formale Orientierung ist für die Spieler leicht möglich, da das Trio klar gegliedert ist (Tempowechsel, Wechsel der Satztechnik etc.).
Die Partitur öffnet womöglich den Blick auf unterschiedliche historische Dimensionen, die beim Hören nicht immer präsent sein müssen. Mehr oder weniger Bekanntes mag für Hörer und Interpreten immer mal wieder aufblitzen und sogleich wieder verschwinden.
Eva-Maria Houben