Paul Dessau

Lanzelot

Oper in 15 Bildern nach Motiven von Hans Christian Andersen und der Märchenkomödie Der Drache von Jewgeni Schwarz, Máté Sólyom-Nagy (Bariton), Emily Hindrichs (Sopran), Oleksandr Pushniak (Bass), Staatskapelle Weimar, Ltg. Dominik Beykirch

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Audite
erschienen in: das Orchester 10/2023 , Seite 69

Ganz bewusst entschied sich Paul Dessau für ein Leben in der 1949 gründeten DDR. Wie sein Freund Bertolt Brecht war er überzeugt, dass eine bessere Zukunft für Deutschland nur in einem sozialistischen Staat möglich sei. Mit vielen linksgerichteten Intellektuellen war der Komponist zuvor aus dem „Dritten Reich“ emigriert. Nach der Rückkehr in die Heimat strebte diese Gruppe einen Neuanfang an, auch in der Kunst. Allerdings merkte der im Geiste der Neuen Musik der 20er Jahre aufgewachsene Dessau bald, wie schwierig die Gratwanderung zwischen privater und staatlicher Kunst in der DDR war. Mehrfach wurden seine Werke als „volksfremd“ und „formalistisch“ abgelehnt.
Sein Schaffen ist auf Tonträger durchaus gut dokumentiert. Erstmals auf CD greifbar ist nun auch seine Märchenoper Lanzelot. Das Werk entstand 1969 nach dem Märchen Der Drache des sowjetischen Autors Jewgeni Schwarz und Motiven des dänischen Märchenerzählers Hans Christian Andersen. Damals war diese Oper zum 20. Jahrestag der DDR gegen die überwundene Nazidiktatur und die imperialistische Politik der USA gerichtet, die gerade in Vietnam Krieg führte. Das an der Deutschen Staatsoper Berlin uraufgeführte Bühnenstück hielt sich aber nicht im Repertoire. Erst 2019 entdeckte es das Nationaltheater Weimar wieder, inszeniert von Regie-Altmeister Peter Konwitschny. Am Pult stand der heutige Chefdirigent Dominik Beykirch. Bei der vorliegenden Aufnahme handelt es sich um den Mitschnitt der Premiere am 23. November 2019, den der MDR verantwortete. So kann man sich vier Jahre später mit dieser Doppel-CD das seltene Werk noch einmal in Erinnerung rufen.
Das Vorspiel versetzt uns zunächst in einen Märchenwald mit singenden Vögeln und aufblühenden Violinen. Doch so sonor bleibt es nicht. Bald treten kraftvoller Expressionismus und aufreizende Jazzklänge hinzu. Collagenartig werden unter anderem Zitate von Wagner und Beethoven eingebunden. Das große Orchester wird oft aufgesplittet, der neunstimmige Chor ist extrem gefordert. Stolze dreißig Solopartien erzählen mit viel Sprechgesang die Handlung.
In Weimar wurden alle Hauptpartien gut besetzt: mit dem ungarischen Bariton Máté Sólyom-Nagy (Lanzelot), dem aus Kiew stammenden Bass-Bariton Oleksandr Pushniak (Drache) und der Amerikanerin Emily Hinrichs (Elsa). Ein wenig fehlt nur die Szene bei dieser theaterhaften Oper, besser wäre daher eine DVD gewesen. Doch auch so erlebt man eine hervorragende Ensembleleistung.
Matthias Corvin