Bloch, Ernest

Landscapes

Music for String Quartet, Galatea Quartet

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 88697950242
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 78

Im Verhältnis zur Bedeutung seines Gesamtwerks wird die Musik von Ernest Bloch (1880-1959) relativ selten aufgeführt. Ein Werk wie Schelomo, Rhapsodie für Cello und Orchester, bildet eine der wenigen Ausnahmen. Nun widmet sich das hervorragende Galatea Quartett aus Zürich mit einer sehr verdienstvollen CD der Musik des aus der Schweiz stammenden, ab 1916 hauptsächlich in Nordamerika (1924 wurde Bloch amerikanischer Staatsbürger) lebenden Musikers. Der Komponist und angesehene Pädagoge – zu seinen Schülern gehörten George Antheil und Roger Sessions – schuf ein sehr vielseitiges Gesamtwerk, neben Schelomo auch die Israel-Sinfonie, die Oper Macbeth oder das Violinkonzert für Joseph Szigeti. Dass Bloch, der u.a. bei Eugène Ysaye studierte, ursprünglich Geiger werden wollte, kommt auch in seiner Kammermusik zum Tragen.
Gerade die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten der Streichinstrumente werden auf der CD Landscapes, dem Debüt des Galatea Quartetts bei Sony Classical, differenziert ausgeschöpft. Die Primaria Yuka Tsuboi, Sarah Kilchenmann (2. Violine), David Schneebeli (Viola) und der Cellist Julien Kilchenmann präsentieren zudem eine veritable Ersteinspielung: Erstmals erklingt auf Tonträger das Streichquartett G-Dur von 1896 des damals 15-jährigen Bloch – ein überzeugender Beweis des Talents des jungen Künstlers, das sich trotz aller Einflüsse und Anlehnungen an die Wiener Klassik als schon erstaunlich eigenständig erweist. Das Galatea Quartett demonstriert hier nicht nur bei den genauen dynamischen Abstufungen seine enormen spieltechnischen Fähigkeiten. Das G-Dur-Quartett bildet so eine reizvolle Ergänzung zu den fünf mit Nummern versehenen Streichquartetten Blochs, die ab 1916 entstanden.
Die weiteren Stücke der CD aus den 1920er und 1930er Jahren zeigen einerseits den Komponisten, der sich um eine spezifisch „jüdische“ Tonsprache bemüht – man könnte ebenso gut von einer orientalisch geprägten Musik sprechen; ein überzeugendes Beispiel dafür ist Prayer, das von Jens Peter Maintz und den Schweizer Streichern in einem Arrangement von Julien Kilchenmann für Solocello und Streichquartett gespielt wird. Andererseits unterstreichen sie die stilistische Vielfalt Blochs. Als exotisch ist auch der erste Satz von Landscapes, „North“, zu bezeichnen, der an die Leere und eisige Kälte der Heimat der Inuit erinnert, während das Finale „Tongataboo“, eine Hommage an eine Insel im Südpazifik, sehr rhythmisch geprägt ist.
Die Miniaturen für Streichquartett, beispielsweise Night, eine Con-sordino-Studie, geben einen tiefen Einblick in die Klangwelt Blochs, die von impressionistischen Tendenzen zur Neoromantik wechselt ebenso wie von ausdrucksstarker Expressivität zu neoklassizistischen Momenten. Das Galatea Quartett wird dem mehr als gerecht, auch in den Zwei Stücken und in In The Mountains von 1924. Da es auch der Aufnahmetechnik gelingt, das Klanggeschehen hervorragend abzubilden, und der Booklettext eine bemerkenswerte Einführung nicht nur in das Kammermusikwerk Ernest Blochs bietet, ist diese CD für jeden an Musik für Streichquartett Interessierten sehr zu empfehlen.
Walter Schneckenburger