Saariaho, Kaija
L’amour de loin
Ihre erste Oper LAmour de loin sei innerhalb von 18 Monaten für die Salzburger Festspiele entstanden, wo sie im Jahr 2000 uraufgeführt wurde, hat die finnische Komponistin Kaija Saariaho zur Genese des Werks erklärt. Zugleich aber, so die Wahlfranzösin weiter, stehe für sie das Werk nach einem Libretto von Amin Maalouf am Ende eines langen Prozesses von Überlegungen, was für sie Oper oder Musiktheater heute überhaupt bedeuten könnte. So kann man die musikalische Entwicklung der inzwischen international arrivierten Künstlerin auch unter der Prämisse einer seit den 1980er Jahren intensivierten Beschäftigung mit der Melodie, aber auch verstärkte Auseinandersetzung mit Vokalkompositionen (Chateau de Lame, Lonh und Oltra mar) sehen. Mit ein Auslöser zur Komposition von Lamour de loin war für die finnische Komponistin die Begegnung mit Olivier Messiaens einzigem Musiktheaterwerk Saint-Francois dAssise.
Lamour de loin handelt von der Liebe zwischen dem französischen Troubadour Jaufré Rudel aus Bordeaux zu der von ihm nie gesehenen Gräfin von Tripolis daher der Titel Liebe aus der Ferne. Mittler zwischen den beiden ist ein Pilger. Am Ende beschließt Jaufré, sich auf die Fahrt in den Orient zu machen, wo er schwer erkrankt in Tripolis angekommen in den Armen von Clémence stirbt. Die Oper stellt die Frage nach dem virtuellen Charakter der idealen Liebe und dem Verhältnis der unterschiedlichen Lebensformen, dem kulturellen Abstand von Abend- und Morgenland. Das Prozesshafte, das Überschreiten von Grenzen, das Fließende ist ein Charakteristikum der Musik Saariahos für ihre erste Oper.
Kent Nagano hat nun die erste, klanglich sehr überzeugende Studioeinspielung von Lamour de loin mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin vorgelegt. Wobei sich ein Vergleich mit dem DVD-Livemitschnitt der Produktion der Salzburger Festspiele (DG DVD 0734026) lohnt, der in der kooperierenden Finnischen Staatsoper aufgenommen wurde. Der Dirigent Esa-Pekka Salonen, der Bariton Gerald Finly, Dawn Upshaw, für deren Sopran Kaija Saariaho die Partie der Clémence schrieb, und die Mezzosopranistin Monica Groop sind die Protagonisten. Salonen, wohl auch durch die Inszenierung von Peter Sellars inspiriert, dirigiert die Partitur gehärteter, etwas mehr als Theatermusik. Kent Nagano am Pult des sensibel agierenden Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin ist, was die Farben- und Klangdramaturgie angeht, etwas vielschichtiger, weicher, geschmeidiger. Härten werden baldmöglichst abgefedert. Dabei kommt zum Tragen, dass Nagano stark von Messiaens Musik geprägt ist. So betont er mit dem bestens disponierten Orchester durchaus überzeugend das Französische der Komposition, was bis zu Debussy-Anklängen reicht.
Bei den Sängern müssen indes kleinere Einschränkungen gemacht werden. Der Bariton von Daniel Belcher kann neben Finly durchaus bestehen, wenn auch dessen Persönlichkeitszeichnung des Troubadoures eine Spur reifer ausfällt. Ekaterina Lekhinas Sopran ist zwar sehr höhensicher, bei gelegentlichen Extremanforderungen der Partie der Clémence verliert die Stimme doch an Farbigkeit und verhärtet sich gelegentlich, während Marie-Ange Todorovitch als Pilger überzeugt.
Walter Schneckenburger
Walter Schneckenburger