Arvo Pärt
Lamentate/Nekrolog/ Symphonie No. 3
Maki Namekawa (Piano), Filharmonie Brno, Ltg. Dennis Russell Davies
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen die neuen Klänge Arvo Pärts in kleinen Sälen vor einer exklusiven Hörerschaft aufgeführt wurden. Spätestens seit seiner Hinwendung zu den Wurzeln der europäischen Musik im Mittelalter und der Spiritualität der orthodoxen Kirchenmusik, die zur Schaffung seines Tintinnabuli-Stils führte, eroberte sich Arvo Pärt die Aufmerksamkeit eines großen Publikums.
Mit dem Dirigenten Dennis Russell Davies verbindet Pärt eine langjährige Freundschaft und musikalische Zusammenarbeit, sowohlauf der Bühne als auch im Aufnahmestudio. Nun hat sich Davies als Chefdirigent der tschechischen Filharmonie Brno erneut dem estnischen Komponisten zugewandt – diesmal in einer Art Rückschau von den dodekafonen Anfängen im Nekrolog (komponiert 1960) über die 1971 uraufgeführte 3. Sinfonie bis hin zum Lamentate aus dem Jahr 2002. Was ursprünglich als Konzert gedacht war, wurde wegen der Einschränkungen des Corona-Lockdowns zum Studioprojekt.
Herausgekommen ist eine geballte Ladung Arvo Pärt, geleitet von einem langjährigen Freund und Kenner seiner Musik und mit der Pianistin Maki Namekawa, einer Partnerin des Dirigenten. Sind das also nicht die besten Voraussetzungen für eine umfassende und tiefe Einsicht in den Kosmos eines so überraschenden und vielseitigen Komponisten wie Arvo Pärt? Sollte man meinen, doch hier enttäuscht die CD.
„Arvo Pärts Musik spricht für sich selbst, man muss sich als Interpret hinter die Musik stellen“, so einst Dennis Russell Davies im Hinblick auf seine Sicht auf Pärts Musik. Im Prinzip nicht ganz verkehrt, aber die Reduktion auf die Kargheit, der Verzicht auf eine durchdachte Interpretation, ja, der Verzicht auf die hörbar gemachte Struktur und das Aufzeigen einer klaren Linie sind nicht unbedingt dienlich. Musik auf dem Papier ist und bleibt seelenlos, erst der Klang erweckt sie zum Leben und ruft beim Hören ein Echo in der Person des Hörers hervor. Der Rückzug hinter die Musik eröffnet somit keinen neuen Freiraum, sondern lediglich Leere.
Davies fürchtet die Überinterpretation und zieht sich selbst ganz hinter das Werk zurück, doch so ganz ohne persönliche Führung bleibt die Musik spröde, fängt beim Hören nicht ein und entzieht sich dem Gefühl. Und darunter leidet dann auch die Orchesterführung und das Zusammenklingen mit der Pianistin. Die Sprödheit des Klangs, das unpersönliche Dahinplätschern entzaubert Arvo Pärts Lamentato und führt zu – ungewollten – Längen, leider mitunter auch zu Langeweile.
Daran kann auch das rein und ohne Ausrutscher intonierende Orchester aus Brno nichts ändern. Die Klangflächen, ganz gleich ob zwölftönig oder glockenähnlich, finden einfach nicht zusammen. Statt Zeit gestaltend driftet Pärts Musik so scheinbar ziellos durch die Zeit. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass, wenn man nicht weiß, wo man hin will, sich auch nicht wundern darf, wo man am Ende ankommt.
Markus Roschinski