Saint-Saëns, Camille

La Muse et le Poète/Violin Concerto No 3/Cello Concerto No 1

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Erato 50999 934134 2 8
erschienen in: das Orchester 03/2014 , Seite 79

Obwohl das Werk Camille Saint-Saëns’ äußerst umfangreich ist, konnten sich nur recht wenige seiner Kompositionen im Repertoire behaupten. Introduction et Rondo capriccioso ist bekannter als die drei Violinkonzerte, das dritte Cellokonzert ist ein Studienstück, doch im Konzertsaal auch kaum anzutreffen. Hierfür wird der Trend zur Beschränkung des Repertoires auf eine begrenzte Auswahl von Werken verantwortlich sein, denn an der Qualität der Kompositionen lässt sich diese Zurückhaltung nicht festmachen. Saint-Saëns instrumentiert farbenreich, ohne das Soloinstrument zuzudecken, er ist stets geschmackvoll in der Linienführung und Harmonik (eine Ausnahme hier allenfalls der Schluss des Andantinos des Violinkonzerts mit seinen künstlichen Flageoletts in Dreiklangsbrechungen). Den Werken fehlt sowohl eine plakative Wucht als auch eine selbstverliebte Virtuosität, gleichwohl bieten sie dem Solisten vielfältige Möglichkeiten, sein Instrument wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Die Brüder Capuçon nehmen sich dieser Aufgabe mit stilsicherem Geschmack und technischer Präzision an.
Sehr originell ist die Formgebung des ersten Cellokonzerts a-Moll op. 33. Der üblichen und auch ausgewiesenen Dreisätzigkeit ist eine Einsätzigkeit übergeordnet: Einer Allegro-Eröffnung, die einer variierten Sonatenexposition entspricht, folgt ein menuetthaftes Intermezzo, das in ein ausladendes Finale mündet (es ist fast so lang wie die beiden vorherigen Abschnitte), in dem die Themen verarbeitet werden. Hierbei bekommt der Solist dankbare Aufgaben, die Gautier Capuçon meistert, indem er sowohl bei forcierenden als auch lyrischen Stellen eine leichte Zurückhaltung walten lässt, sodass niemals ein Hauch von Kitsch entsteht.
Sein älterer Bruder Renaud verfolgt einen sehr ähnlichen Ansatz im dritten Violinkonzert in h-Moll op. 61. Dieses ist formal konventioneller. Obwohl es für Pablo de Sarasate geschrieben wurde, enthält es keine Virtuosität um ihrer selbst willen. Reminiszenzen an Mendelssohns e-Moll-Konzert sind nicht zu überhören. Renaud Capuçon weiß durchaus zu attackieren, dies geschieht jedoch immer kontrolliert. In beiden Solokonzerten kommen die Brüder Capuçon Saint-Saëns’ Ideal der Clarté sehr nahe.
Die gilt nur eingeschränkt für ihre Interpretation des Duos La Muse et le Poète. Dieses erst nachträglich instrumentierte Werk ist ein Dialog, eher kammermusikalisch angelegt als konzertant. Der Titel wurde vom Verleger in Anspielung auf ein Gedicht Mussets hinzugefügt, gerade mit seiner schlichten Personifizierung der Instrumente entsprach er nicht Saint-Saëns’ Musikauffassung. Hier sind die Portamenti des Geigers zu viel, sein Spiel nähert sich überkommenen Klischees der Interpretation romantischer Werke an. Dieses 1909 komponierte Werk ist ein Beispiel für den Konservatismus Saint-Saëns’, es hält sich von Wagner’scher Chromatik und von harmonischen Neuerungen fern, gleichwohl befindet es sich in Kompositionstechnik und Ausdrucksstärke auf sehr hohem Niveau.
Lionel Bringuier begleitet mit dem Orchestre Philharmonique de France umsichtig. Diese Veröffentlichung ist in ihrer Zusammenstellung geglückt, sie stellt eine begrüßenswerte Initiative zur Erweiterung des Repertoires dar.
Christian Kuntze-Krakau