Samuel Ducommun
La Moisson du Feu/ Sinfonietta No. 2/ Concertino pour Trompette/ Concerto No. 2 pour Orgue
Choeur et Orchestre de la HEM Genève-Neuchâtel, Orchestre de Chambre de Neuchâtel, Orchestre du Conservatoire de Neuchâtel, Ltg. Jan Dobrzelewski/ Victor Desarzens
In sanften Tönen beginnt das Oratorium La Moisson du Feu, doch alsbald verdichtet sich die Faktur: Kontrastreich und unter Einbeziehung barocker Kompositionsformen – Choralfantasie, Passacaglia, Fuge – zeichnet Samuel Ducommun musikalische Bilder der Apokalypse des heiligen Johannes nach Texten von Ducommuns Landsmann und Dichterfreund Marc Eigeldinger. Wir vernehmen ein knapp vierzigminütiges, eindrucksvolles Werk für zwei Solisten, Chor, Kinderchor und Orchester und sind beschämt, den Namen dieses Komponisten noch nie gehört zu haben. Ducommun ist eine Entdeckung!
Der 1914 geborene Westschweizer war ein bedeutender Organist und zudem ein echter Allrounder – Kompositions- und Klavierlehrer, Chorleiter –, dessen Wirken sich seit 1942 im Wesentlichen in der Stadt Neuchâtel entfaltete. Zwar reiste er zu Orgelkonzerten häufig nach Frankreich und Deutschland, sein kompositorisches Œuvre jedoch fand nur selten den Weg über die Grenzen seines Heimatlandes hinaus. Die vorliegende CD-Produktion bietet Gelegenheit, vier seiner Werke kennenzulernen, wobei das Oratorium in einem Livemitschnitt aus dem Jahr 2019 hier als Weltersteinspielung erscheint.
Gelegentlich begegnen wir Komponisten der sogenannten zweiten Reihe mit leichten Vorurteilen in Richtung Epigonentum – weit gefehlt bei Ducommun! Seine Musiksprache ist durchaus individuell, ihr beherrschendes Idiom mag man polytonal nennen, doch daneben stehen modale, tonale und gelegentlich scharf dissonante Wendungen. Gewiss: Marcel Dupré (Ducommuns Orgellehrer), Maurice Duruflé und andere Franzosen standen mutmaßlich Pate, und gelegentlich gemahnen Ducommuns Klänge an die Hindemith-Welt oder gar an englische Musik der Vaughan-Williams-Zeit. Dennoch drängt sich nie ein „Ducommun klingt wie…“ auf.
In drei abwechslungsreichen Konzertstücken lernen wir den Schweizer Meister als exzellenten Kontrapunktiker und zudem brillanten Instrumentator kennen. Sowohl die Streicher-Sinfonietta als auch die Konzerte für Trompete und Orgel – beide mit dankbaren Aufgaben für die Solisten – enden mit Fugensätzen, die die Werke zu spannungsvollen Finalwirkungen führen.
Gesungen und musiziert wird gut bis sehr gut, insbesondere die Solisten Sarah Pagin (Sopran), Mohamed Haidar (Bass), Jean-Pierre Mathez (Trompete) und Robert Märki (Orgel) glänzen in ihren Fächern. Mögen die Chöre und Orchester der Haute École de Musique Geneve-Neuchâtel im Oratorienmitschnitt hier und da ein wenig mulmig klingen (es ist halt keine Studioaufnahme!), so leisten sie – ebenso wie das Konservatoriums-Kammerorchester Neuchâtel und die international renommierten Kammerorchester von Lausanne und Neuchâtel – allesamt einen überzeugenden Beitrag zur Wiedererweckung eines bedeutenden und vor allem originellen Komponisten.
Gerhard Anders