Donizetti, Gaetano

Le Duc d’Albe

Angela Maede (Sopran), Michael Spyres/Trystan Llyr Griffiths/Robin Trischler/Dawid Kimberg (Tenor), Laurent Naouri (Bariton), Gianluca Buratto/David Stout (Bass), Opera Rara Chorus, Hallé, Ltg. Mark Elder

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Opera Rara ORC 54
erschienen in: das Orchester 10/2016 , Seite 69

Die englische Gesellschaft Opera Rara ist schon seit über 45 Jahren bemüht, vergessene Opern des 19. Jahrhunderts, vor allem solche des Belcanto wiederzubeleben. Neben Aufführungen bietet Opera Rara seit Langem auch Platten- oder CD-Aufnahmen seiner Produktionen, die natürlich von beträchtlichem diskografischen Wert sind. Seit 2011 ist der englische Dirigent Mark Elder künstlerischer Leiter der verdienstvollen Unternehmung. Unter seiner Leitung steht denn auch die neue Einspielung von Opera Rara, die Gaetano Donizettis unvollendeter Oper Le Duc d’Albe von 1839 gewidmet ist.
Der Meister aus Bergamo schrieb sie für die Pariser Oper – und dementsprechend trägt das Werk bzw. das, was aus Donizettis Hand davon da ist, die Züge einer Grand Opéra. Da sich die Chance einer Aufführung des Werks in Paris aus welchen Gründen auch immer zerschlug, ließ der Komponist nach zwei von vier fertiggestellten Akten das Projekt liegen. Wie bei Bergs Lulu oder Puccinis Turandot gibt es zu den unvollendeten Teilen nur Skizzen.
Über 30 Jahre nach Donizettis Tod machte sich sein Schüler Matteo Salvi daran, die Oper zu vollenden. Dabei passte er sie freilich auch in den originalen Teilen dem Zeitgeschmack an. In dieser Version war der Herzog von Alba einigermaßen erfolgreich auf den europäischen Opernbühnen. Nach Donizettis Rückzug nahm übrigens Eugène Scribe sein Libretto noch einmal zur Hand und machte das Textbuch für Verdis Die sizilianische Vesper daraus.
Eine spannende Werkgeschichte – und ganz tolle Musik: Le Duc d’Albe verdient mehr Beachtung. Die Einspielung aus England, das ist ihr erster großer Vorteil, bringt den originalen Donizetti. Nur 90 Minuten lang, dafür aber mit einer dramatisch packenden und erlesenen Musik, die Elemente der französischen Großen Oper mit dem italienischen Melodrama verbindet und weit über den Belcanto hinausweist. An wenigen Stellen nur – zum Beispiel beim Vorspiel – hat Martin Fitzpatrick im Stil von Donizetti das Notwendige ergänzt.
Der andere große Vorteil der Aufnahme ist ihre hohe musikalische Qualität. Mark Elder dirigiert das Hallé- Orchester aus Manchester, dessen Chef er ist, mit leichter Hand sowie sehr impulsiv und akzentuiert. Der Opera Rara Chorus bewährt sich kraftvoll in den Chorpartien. Junge, bewegliche und klangschöne Stimmen bilden ein exquisites Donizetti-Ensemble. Michael Spyres ist als Henri ein heller, brillanter und höhensicherer Tenor. Angela Meade verbindet als Hélène Stimmkultur, feine Linienführung, Glanz und Leidenschaft. Wohlklang und Energie gleichermaßen zeichnen Laurent Naouris Vortrag der Titelrolle aus. Auch die Sänger der anderen Partien haben große Klasse.
Karl Georg Berg