Jean Sigismond Cousser (Kusser)
La cicala della cetra d’Eunomio. Suite Nr. 4
Sechs Consortsuiten für 2 Oboen, Fagott, Streicher und B. c., Urtext, hg. von Michael Robertson, Partitur und Stimmen
Musikbegeisterte Aristokraten und Potentaten gab es ehedem zuhauf. Man denke nur an Ludwig XIV., der Jean Baptiste Lully zum Hofkomponisten und „Surintendant de la musique“ erhob. Eine Gunst, die den gebürtigen Italiener verführte, sich zum musikalischen Alleinherrscher im Reich des Sonnenkönigs aufzuschwingen.
Unter den Gönnern der Musen findet sich auch das Fürstengeschlecht des fränkischen Hauses von Schönborn, dessen Abkomme Graf Rudolf Franz Erwein (1677-1754) als notensammelnder Cellist hervortrat. Sein privates, auf Schloss Wiesentheid erhaltenes „Musikkabinett“ umfasst rund 2 200 Einzelwerke verschiedenster Gattungen in rund 150 Drucken und über 500 Manuskripten. Ein Fundus, aus dem sich die Edition Schönborn der Magdeburger Edition Walhall nährt. Innerhalb dieser Musikalienreihe gab der britische Barockforscher Michael Robertson sechs Consortsuiten für zwei Oboen, Fagott, Streicher und Generalbass von Johann Sigismund Kusser heraus – eine der drei Suitensammlungen in Lullys Manier, die Kusser anno 1700 drucken ließ, als er die Württembergische Hofkapelle leitete.
Kusser, geboren 1660 in Pressburg (heute Bratislava), verbrachte sechs Lehrjahre bei Lully in Paris (wo er seinen Namen französisierte). Danach unterwies er die Ansbacher Hofviolinisten im französischen Vortragsstil, bevor ihn der Hof zu Braunschweig-Wolfenbüttel 1790 zum Oberkapellmeister seiner neugegründeten Oper erkor. Mit seinem Operndirektor und Librettisten zerstritten, wechselte er 1694 an die Hamburger Oper am Gänsemarkt, wo er eigene Singspiele und Opern aufführte. Der Querelen mit Pächtern und Direktoren überdrüssig, stellte er eine Operntruppe zusammen, mit der er in Deutschland umherreiste. Von 1698 bis 1704 band ihn der Stuttgarter Hof als Oberkapellmeister. 1705 ging er nach London und 1710 nach Irland, wo er zum Chief-Composer und Music-Master zu Dublin Castle aufrückte und 1727 starb. Während Walther ihm ein „flüchtiges und hitziges Temperament“ nachsagte, pries ihn Mattheson als Orchesterführer und Probenleiter von Gnaden. Als Komponist förderte er vor allem die Entwicklung der Orchestersuite. Die “Suite Nr. 4 La cicala della cetra d’Eunomio” (Die Zikade der Zither des Eunomius) entspricht dem Gattungstyp, wie man ihn aus der Theatermusik Lullys kennt. Der pompösen Ouvertüre (gravitätischer Kopfteil, gerader Takt, punktierte Rhythmen – beschwingter Mittelteil, ungerader Takt, eingangs imitierend – knappe Reprise) folgt nach einem sanften Blockflöten-Trio (auszuführen von den Oboisten samt Fagott) ein Bouquet heiterer Tanzstücke, teils mit Trio-Teilen. Beachtung verdienen neben dem kritischen Kommentar vor allem die aufschlussreichen „Performance issues“ des Herausgebers, dem eine möglichst authentische Wiedergabe am Herzen liegt. Wobei er vor einem „overdotting“ französischer Barockmusik warnt.
Lutz Lesle