Werke von Jose White, Moises Simons, Publio Media und anderen

La Bella Habana

Camerata Romeu, Ltg. Zenaida Romeu

Rubrik: CDs
Verlag/Label: CuGate/www.camerataromeu.com
erschienen in: das Orchester 06/2020 , Seite 72

Trotz ihrer Präsenz im kubanischen und karibischen Musikleben sind einige der auf La Bella Habana vertreten Komponisten für die meisten europäischen Hörer Unbekannte. So etwa der Musiker José White Lafitte, 1836 in Matanzas geboren, der ein wechselhaftes Leben zwischen Kuba und Europa führte. Sein ganzes Leben hindurch ließ ihn aber Paris, wo er später als Geigensolist und Kammermusiker Erfolge feierte, nicht mehr los. Der mehr als eine Generation jüngere Pianist Moisés Simons, der schon mit neun Jahren zum Gottesdienst die Orgel spielte, widmete sich ab 1924 mit ganzer Seele dem heimischen Jazz und gründete in Havanna eine eigene Combo. Einer der produktivsten mittelamerikanischen Tonschöpfer, Guido Lopez- Gavilán, Jahrgang 1944, pflegt nicht nur spezifisch kubanische Formen und beschwört in seinem umfangreichen Chorwerk die prinzipielle Multireligiosität des sozialistischen Inselstaats; er trug den wesentlichen Teil zur kubanischen Orchestermusik und Kammermusik nach dem Zweiten Weltkrieg bei. Eine eher lokal bedeutsame Rolle spielte bislang der Gitarrist Publio Medina, dessen Stil sich demjenigen von Al Di Meola und Astor Piazzolla annähert, wie er zudem auf populäre kubanische Tänze zurückgreift. Die 1993 von Zenaida Romeu begründete Camerata Romeu, die ihren Sitz in der Kleinen Basilika des Heiligen Franziskus von Assisi von Havannas Altstadt hat, ist heute eines der bekanntesten Streichorchester Kubas und kann auf eine lange Reihe von Einspielungen zurückblicken. Ihre Besonderheit besteht jedoch einmal in dem Umstand, dass sie sich ausschließlich aus jungen Nachwuchsinstrumentalistinnen zusammensetzt; noch bemerkenswerter ist freilich, dass sich seine Leiterin Zenaida Romeu mit ihrem Engagement darum bemühte, mittel- und lateinamerikanischem, für Kammerstreichorchester geeignetem Repertoire international Gehör zu verschaffen. Einige der dezent um Schlagwerk erweiterten Stücke auf der hier vorliegenden Einspielung bilden thematisch betrachtet Orte auf Kuba ab. Zu ihnen gesellen sich stimmungsgerecht Eduardo Gamboas mexikanischer Canambu, Astor Piazzollas argentinischer Libertango sowie Gil Y Hamilton aus der Hand des virtuosen, jazzorientierten brasilianischen Geigers Ricardo Herz. Das Frauenorchester besticht durch eine große Spannweite an technischer Expertise, wobei die im Ausdruck hochdifferenzierten Pizzicati, besonders in Lopez-Gaviláns Camerata en Guaguanco, mit spürbarer Spielfreude realisiert hervortreten. Verdeckte melodische Schönheiten der kubanischen, klassisch basierten Kammermusik kommen namentlich in der Potpourri- Zugabe La Bella Habana zum Tragen. Die für die Aufnahme vorgesehene Räumlichkeit hätte man im Interesse des Nachhallklangs und der Trennschärfe zwischen Höhen, Mitten und Bässen etwas großzügiger auswählen können.
Hanns-Peter Mederer