Mandel, Birgit (Hg.)
Kulturvermittlung
zwischen kultureller Bildung und Kulturmarketing. Eine Profession mit Zukunft
Was ist eigentlich Kulturvermittlung? Und was macht ein Kulturvermittler? Diese Fragen drängen sich auf, wenn man das von Birgit Mandel herausgegebene Buch zum ersten Mal in die Hand nimmt. Und weiter: Muss ich das jetzt wirklich alles lesen?
Beim ersten Durchblättern wird jedoch rasch klar, dass es durchaus hilfreich sein kann, den Blick einmal über den Horizont der eigentlichen Musikvermittlung hinaus schweifen zu lassen. Musikvermittlung gilt ja gegenwärtig jenseits der (Schul-)Musikpädagogik als deutscher Versuch (insbesondere im Bereich von Orchestern und Konzerthäusern), dem angloamerikanischen Begriff der Education nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich etwas Ebenbürtiges entgegenzusetzen. Das Buch über Kulturvermittlung setzt schon begrifflich auf einer übergeordneten Ebene an. Kein Gebiet wird ausgelassen: Neue Wege der Museumspädagogik von der auch der Musikbereich immer noch einiges lernen kann werden ebenso erfasst wie die Vermittlungsbereiche bildende Kunst, Theater, Musik, neue Medien, Film. Zahlreiche Fachautoren, die aus Wissenschaft oder Kultureinrichtungen kommen, versuchen in ihren Einzelbeiträgen die verschiedensten Felder der Kulturvermittlung zu beleuchten.
Im einleitenden Beitrag stellt die Herausgeberin u.a. fest, dass Kulturvermittlung Zugänge zu allen Formen der Kunst schaffen soll, kulturelle Kompetenz (und Querdenken) letztlich auch zu echten sozialen Problemlösungen führen könnten. Dabei wird das Projekt Zukunft@BPhil der Berliner Philharmoniker als ein aktuelles Musterbeispiel für erfolgreiche, umfassende und öffentlich breit beachtete Kulturvermittlung verstanden. Kulturvermittlung sei eine Profession mit Zukunft; sie müsse allerdings vom Rand ins Zentrum des Kulturbetriebs verlagert werden. Im Kapitel Kulturpolitik und Kulturvermittlung Kultur für alle und von allen werden grundsätzliche Überlegungen vor allem unter kommunalpolitischen und rechtlichen Aspekten angestellt.
Im folgenden Kapitel beleuchtet Susanne Keuchel von Zentrum für Kulturforschung das Kulturpublikum in seiner gesellschaftlichen Dimension unter Heranziehung empirischer Daten und kommt zum Schluss, man müsse dem Kulturpublikum insgesamt mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein weiteres Kapitel wirft einen Blick ins Ausland, nach England, Frankreich und Österreich. Auch in diesen Ländern ist der Bedarf an Audience Development, also der an Zielgruppen orientierten Publikumsentwicklung bzw. der médiation culturelle anerkannt, wird allerdings politisch und finanziell höchst unterschiedlich in die Praxis umgesetzt. Die weiteren Kapitel behandeln die Entwicklungsgeschichte und Zukunftsperspektiven des Berufsfeldes Kulturvermittlung, die verschiedenen Studiengänge und deren Praxisbezug. Erhellend ist dabei die Aussage, dass Kulturvermittler in vielen Bereich eigentlich dringend gebraucht würden, aber schlecht bezahlt würden Wunsch bzw. Bedarf und Wirklichkeit liegen mal wieder weit auseinander.
Im letzten Kapitel schließlich geht es um aktuelle Beispiele aus verschiedenen Praxisfeldern: Der museumspädagogische Dienst Berlin ist ebenso dabei wie das Kunstmuseum Wolfsburg, die Schaubühne Berlin oder das Konzertbüro Köln, um nur einige zu nennen.
Das Buch ist übersichtlich gegliedert, die Beiträge durchweg flüssig und verständlich geschrieben. Literatur- und Internetfundstellen am Ende jedes Beitrags ermöglichen eine Vertiefung einzelner Themen. Wer neue Impulse für die Weiterentwicklung der Vermittlungs- und Marketingtechniken seines eigenen Kulturbetriebs erhalten will, wird mit diesem Buch gut bedient.
Gerald Mertens