NÖKU-Gruppe und Susanne Wolfram (Hg.)
Kulturvermittlung heute
Internationale Perspektiven
Ein ambitioniertes Unternehmen: Dieser Aufsatzband soll wie die zugrundeliegenden Internationalen Symposien in St. Pölten zwischen 2012 und 2015 den State of the Art aufzeigen, und zwar international, wurden diese doch gemeinsam veranstaltet von niederösterreichischen Akteuren aus St. Pölten und der Universität Hildesheim, um qualitative und quantitative Bewertungen von Kulturvermittlung unterschiedlichster Couleur nebeneinander darzustellen.
Der gemeinsame Ansatz sollte von Anfang an Soziale Inklusion, Partizipation und emotionale Intelligenz sein, ergänzt durch Stadtentwicklung, Randgruppenarbeit, Internationalität und Besucherforschung: Wie die Veranstalter und Herausgeber selbst bemerken, eine bedenkliche Zusammenballung von Containerbegriffen, deren Sortierung und Trennung ihnen nur in einzelnen Aspekten gelingt dort aber sehr gut. Die Publikation richtet sich an die, die in allen möglichen Sparten mit Kulturvermittlung zu tun haben in den Kunstinstitutionen, in Schulen, in Kommunen, in der Stadtplanung, in Regionen und Ländern; die hehre Forderung der Neuen Kulturpolitik, Kultur für alle, als mahnende, aber nicht hinterfragte Überschrift. Weil das mögliche Rezipientenspektrum so breit ist, besteht die Gefahr, dass sich die Leserschaft verliert, denn die Texte stehen isoliert im Raum, beziehen sich nicht aufeinander und setzen aufgeworfene Fragen nicht fort. Auch methodische und qualitative Differenzen irritieren: Sortiert Birgit Mandel, die deutsche Grande Dame des Audience Developments, die notwendigen Fragestellungen lehrbuchhaft in viele kleine Schubladen innerhalb ihres Containers, ohne darüber hinauszugehen, schafft es Eva Kolm, Essentials von mehrsprachiger interkultureller Spracharbeit in ihrem großartigen Text Me:rprahigkayt in der kulturellen Bildung anhand von Beispielen so zu benennen, dass man die extreme Einsprachigkeit deutschen Sprachunterrichts nur sehr bedauern kann.
Viele Themen sind angesprochen: die Berufsrealität von Kunstvermittlern, Community Dance, Aufgreifen von Baukultur als Vermittlungsthema, offenes Theater als Stadtbühne, Kulturpolitik in Brasilien als Weg zu demokratischer Öffnung des Kulturbetriebs, Design Thinker als Empathie-Vermittler, Citymanagement, Nichtbesucherforschung und Evaluierung, jeweils mit vielen anregenden Ideen. Besonders bemerkenswert: Dagmar Frick-Islitzer, die in ihrem Text Der frische Blick die Künstlerbrille aufsetzt und der so viel genannten Chance des Perspektiv- und Positionswechsels in der Kunst für deren Vermittlung konkret und erfrischend genau nachgeht; Agnieszka Czejkowska mit ihren Skizzierungen von Inklusionspraktiken und metierkritischen Anmerkungen zum Ausbildungsbetrieb und dessen Voraussetzungen; und im Gespräch Friederike Lassy-Beelitz, Präsidentin des österreichischen Kunstvermittler-Verbandes, die sehr genau die Untiefen ihres Berufsstandes beschreibt.
Dorothea Kolland


