Krzysztof Penderecki
Concertos for String Instruments and Orchestra, Vol. I/Chamber Music: Violoncello Totale, Vol. II
Patrycja Piekutowska (Violine), Jakob Spahn/Ivan Monighetti/Claudio Bohórquez (Violoncello), Polska Orkiestra Sinfonia Iuventus, Ltg. Krzysztof Penderecki/Maciej Tworek
Der 85. Geburtstag ist in Reichweite, und angesichts seines vielgestaltigen uvres darf sich der 1933 geborene Ex-Bürgerschreck Krzysztof Penderecki gewiss als Klassiker fühlen. Zumal angesichts einer vom polnischen Label Dux produzierten CD-Reihe, die auf eine Gesamtschau der Instrumentalwerke abzielt und seit 2013 erscheint.
Nach einer experimentierlustigen Phase, die ihm frühen Ruhm einbrachte, änderte Penderecki seit etwa 1980 die Richtung: Seine Musik verließ die Bahnen der Avantgarde, ihr Idiom wurde konventioneller. Hört man nun Werke verschiedener Schaffensphasen unmittelbar nacheinander und hierzu lädt die Aufnahmeserie ein , so tritt neben den Unterschieden auch das Übergreifend-Gemeinsame zu Tage: Stets war instrumentale (Hyper-)Virtuosität ein Movens von Pendereckis Komponieren. Überdies herrscht meist ein quasi-dramatischer Gestus, der, überspitzt gesagt, von nichts handelt. Es ist immer viel los, die Klänge rasen und schnauben, doch woher kommen sie, wohin gehen sie, was sagen sie uns?
Die 2015 in der Dux-Serie erschienene Produktion Concertos for String Intsruments and Orchestra enthält zwei Werke aus der früheren und zwei aus der späteren Phase. Ungewöhnliche Instrumentaleffekte, Rasseln, Guiros, elektrische Gitarren dort, später dagegen überwiegend an die Konvention angelehnte, bedeutungsschwangere Kampf- und Klagetöne. Ohne Zweifel verdienen sich die Solisten der letzteren Kompositionen die Cellisten Ivan Monighetti und Claudio Bohórquez ebenso große Meriten wie die Protagonisten der Frühwerke: die Geigerin Patrycja Piekutowska und der Cellist Jakob Spahn.
Spahn agiert auch als grandioser Spiritus Rector der CD Violoncello totale. Der 1983 geborene Musiker war 2010 Preisträger beim ARD-Musikwettbewerb und wirkt seit 2011 als Solocellist der Bayerischen Staatsoper. Mit stupender Technik, hingebungsvollem Espressivo und zugleich spielerischer Leichtigkeit (etwa im Capriccio per Siegfried Palm) meistert er alles, was der cellobegeisterte Komponist seinen Interpreten auf den Leib geschrieben hat. Vielleicht saß bei den Aufnahmen das Mikrofon gelegentlich sehr nah am Steg von Spahns Cello? Gleichwohl: Zu Pendereckis Ausbrüchen passt der cellistische Riesen-Sound nicht schlecht.Neben fünf Solowerken dem Capriccio, einer ursprünglich für Viola komponierten Cadenza, der Rostropowitsch-Huldigung Per Slava, einer Suite und der titelgebenden Violoncello totale-Etüde enthält die CD drei Ensemblestücke, in denen Jakob Spahn zusammen mit polnischen Cellisten musiziert. Neben einer Gelegenheits-Serenata und einer Bearbeitung aus dem Polnischen Requiem hören wir eine Ciaccona in memoriam Papst Johannes Paul II. für sechs Celli
die Grenze zum Sakro-Pop ist greifbar nahe.
Gerhard Anders