Schumann, Robert / Richard Wagner / Richard Strauss

Konzertstück für 4 Hörner / Siegfried-Idyll / Metamorphosen

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Farao Classics S 108061
erschienen in: das Orchester 03/2013 , Seite 72

Obgleich Kent Nagano, einer der Großen unter den Opern- und Konzertdirigenten, schon seit 2006 als Chefdirigent das Bayerische Staatsorchester leitet (also den Klangkörper der Bayerischen Staatsoper), ist die Zahl der gemeinsamen sinfonischen Aufnahmen überschaubar: Bruckners vierte Sinfonie im Jahr 2007 steht zu Buche und 2010 eine Kombination dreier Raritäten von Mendelssohn, Schumann und Brahms. Umso erstaunlicher, dass die Werkauswahl der jetzt vorliegenden Einspielung (aufgenommen 2008) kaum einer sinnvollen Dramaturgie zu folgen scheint – und obendrein nur Repertoirestücke bietet. Zu hören sind Schumanns Konzertstück für vier Hörner, Wagners Siegfried-Idyll und schließlich die Metamorphosen für 23 Solostreicher von Richard Strauss. Diese Zusammenstellung erschließt sich erst allmählich, doch ist die Ausführung jedes einzelnen Werkes meist überzeugend.
Robert Schumanns Konzertstück für vier Hörner mag für Nicht-Blechbläser etwas exotisch wirken, doch sind Aufnahmen längst keine Besonderheit mehr. Das täuscht über die Schwierigkeiten des Werks hinweg, das an alle vier Solisten enorme Anforderungen stellt und den ersten Hornisten bis zum klingenden a” hinauftreibt. Kaum vorstellbar, dass gerade dieser Part bei der Uraufführung 1850 auf einem Naturhorn geblasen wurde. Danach galt das Konzertstück mehrere Jahrzehnte lang als unspielbar – bis die Hornisten des Münchner Hofopernorchesters 1887 erfolgreich einen neuen Anlauf wagten. Für die heutigen “Erben” Johannes Dengler, Franz Draxinger, Rainer Schmitz und Maximilian Hochwimmer war diese Aufnahme also gewissermaßen historische Pflicht. Schwindelerregende Akkordbrechungen, zartestes Piano, strahlendes Forte ist naturgemäß kein Problem für das Quartett, das zudem blind aufeinander eingespielt ist. Wenn es einen Unterschied zu anderen Aufnahmen gibt, dann vielleicht die Einheitlichkeit des Klangs, der natürlich markant ist, doch zugleich – ganz im Sinne Schumann’scher Instrumentation – in den Orchestersatz eingebunden wird.
Richard Wagners Siegfried-Idyll, das 1870 bei Luzern als Geburtstagsständchen für Cosima im engsten Familienkreis uraufgeführt wurde, wird von Kent Nagano sehr bedächtig musiziert, flächig und mit zartem Mischklang. Auffälliger ist die Lesart der Metamorphosen von Richard Strauss (dessen Vater Franz übrigens Hornist am Münchner Hoftheater war): Dieses betörend schöne, einerseits fast kitschige, andererseits mit seinen Akkordtrauben überraschend moderne Werk wurde im Kummer um die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Stadt München geschrieben – ein Abgesang auf eine vergangene Kultur. Hier können die Streicher des Bayerischen Staatsorchesters ihren besonderen Klang ausbreiten. Zugleich lässt Nagano Solostimmen außergewöhnlich stark hervortreten und unterstreicht die Polyfonie. Vielleicht hat er dieses “Abschiedsstück” auch für sich selbst ausgewählt: 2013 wird der gebürtige Kalifornier München verlassen, um 2015 Generalmusikdirektor in Hamburg zu werden.

Johannes Killyen