Paolo Litta
Konzert-Trilogie für Violine und Klavier: Der Minne- See/Die entschleierte Göttin/Der Tod als Fiedler
Ilona Then-Bergh (Violine), Michael Schäfer (Klavier)
Seit Jahren gehören die CDs von Ilona Then-Bergh und Michael Schäfer zu den erfreulichsten Beiträgen im Bereich der Klassik-Neuerscheinungen. Mit bislang jeder Veröffentlichung wusste das Duo in versteckte Nischen vorzustoßen und dabei Vergessenes und zu Unrecht Vernachlässigtes ans Licht zu heben.
Kein Wunder also, dass auch die neueste Produktion viel Futter für Neugierige bietet. Gegenstand ist eine Konzert-Trilogie des kaum bekannten Komponisten Paolo Litta (1871-1931). Genauer gesagt handelt es sich um eine Gruppe von drei ausgedehnten Werken – “Der Minne-See” (1909), “Die entschleierte Göttin” (1912) und “Der Tod als Fiedler” (1924) –, die nicht nur jeweils von programmatischen Kontexten bestimmt, sondern darüber hinaus auch durch (teils außerordentlich ausgeklügelte) Leitmotive miteinander verknüpft und aufeinander bezogen sind.
Diese Konzeption ist in der Literatur für Violine und Klavier ebenso einmalig wie die von Litta in seinen Vorworten im Sinne „getanzter Kammermusik“ mitbedachte szenische Realisierung durch eine Tänzerin sowie die (auf der CD nicht berücksichtigte) Möglichkeit einer Ad-libitum-Hinzuziehung von Schlaginstrumenten (Triangel und Zimbeln) zum zweiten und dritten Stück.
Then-Bergh und Schäfer setzten Littas spätromantisch schweifende Musik mit differenziertem Zugriff auf die klanglichen Möglichkeiten von Violine und Klavier um und verleihen dabei jeder Tondichtung ein eigenes Profil. Der vier Sätze umfassende “Minne-See” profitiert allein schon aufgrund seiner enormen Spieldauer von 36 Minuten vom aufmerksamen Zusammenspiel des Duos: Die Simplizität zarter Pianophrasen wechselt hier mit emphatischen Forte-Kantilenen ab, ständiges Rubato-Spiel und fließende Ausdrucks- und Tempoübergänge belegen die lange, gegenseitige Vertrautheit der beiden Partner miteinander.
Im 25-minütigen Mittelstück der Trilogie steht hingegen viel stärker der sprachnahe Gestus der Musik im Zentrum, der sich von einem quasi-dialogischen Agieren der Instrumente aus in dramatischen Passagen zuspitzt, um dann zum Ende hin – unterstützt durch illustrative Vortragsanweisungen – den Charakter einer Trauermusik anzunehmen.
In spieltechnischer Hinsicht besonders herausfordernd ist die mit „Virtuosen-Rhapsodie“ untertitelte letzte Komposition, die auch in klanglicher Hinsicht – durchzogen von geräuschvoll in den Klangraum stechenden, auf den Saiten hinter dem Steg gespielten Tremolo-Einwürfen der Violine – Extrembereiche berührt und darüber hinaus mit den größten Ausdruckskontrasten aufwartet. Aufgrund ihrer aufmerksamen Behandlung leitmotivischer Momente sorgen Then-Bergh und Schäfer immer wieder dafür, dass sich gerade hier, zwischen Momenten außerordentlicher Virtuosität, überdrehten Totentanz-Intonationen und drohenden Klangballungen in den tiefen Klavierregistern, die gedankliche Verbindung zu den übrigen Kompositionen wieder einstellt.
Stefan Drees