Johann Matthias Sperger
Konzert für Viola und Orchester
Solokonzerte für die Viola aus der Zeit der Klassik gibt es nur wenige. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Violakonzert von Sperger zu befassen, der nicht nur Konzerte für Kontrabass und Trompete, sondern auch ein spielenswertes Duo für Viola und Kontrabass komponiert hat. Sein Violakonzert wurde in den vergangenen Jahren von dem ungarischen Bratschisten Vidor Nagy wiederentdeckt und auf CD eingespielt. In der Ausgabe der Ikuro-Edition hat er die Einrichtung übernommen und die Solokadenz beigesteuert.
Die neue Ausgabe durch die Edition Massonneau verwendet die Solokadenzen von Clemens Meyer, dem früheren Solobratschisten der Mecklenburgischen Staatskapelle und des Bayreuther Festspielorchesters, der außerdem ein bedeuten-der Erforscher der Mecklenburg-Schweriner Hofkapelle war. Dort war der aus Österreich stammende Sperger Kontrabassist. Für die Edition Massoneau, die sich musikalischen Wieder- und Neuentdeckungen in Mecklenburg-Vorpommern widmet, ist es deshalb ein besonderes Anliegen, diesen Komponisten heute wieder bekannter zu machen.
Die Edition löst ihren eigenen hohen Anspruch ein: Die Noten sind auf hochwertigem Papier gedruckt, es gibt ein lesenswertes Vorwort von Reinhard Wulfhorst, das über den Komponisten und sein Werk bestens informiert, und die Website des Verlags stellt einen umfangreichen Editionsbericht bereit, der über alle Veränderungen detailliert Rechenschaft ablegt.
Spergers Violakonzert hat zwei Besonderheiten: Es ist in einer relativ hohen Tonlage angesiedelt und sieht eine Skordatur der Viola um einen halben Ton tiefer vor, damit das Spiel erleichtert wird (D‑Dur anstelle von Es-Dur in den Ecksätzen). In der vorliegenden Ausgabe (wie auch in der Ausgabe der Ikuro-Edition) gingen die Herausgeber den umgekehrten Weg: Sie transponierten den gesamten Orchesterpart nach D‑Dur.
Gewiss können Anhänger der historischen Aufführungspraxis gegen dieses Verfahren den Einwand geltend machen, dass der Charakter von Es-Dur ein anderer als der von D‑Dur ist, aber für die Praxis und für eine gute Verbreitung dieses Konzerts spricht die hier gewählte Lösung, zumal die Edition Massonneau Interessenten auch die ursprüngliche Scordatur-Fassung auf Anfrage zur Verfügung stellt.
Die hohe Lage hat zur Hypothese geführt, dass Sperger das Konzert für eine fünfsaitige Bratsche mit E‑Saite komponiert hat. Allerdings gibt es keinen Nachweis, dass eine solche Viola am Hof in Schwerin verwendet wurde. Außerdem ist die Begründung, dass bei barocken Bratscheninstrumenten ein solch hohes Lagenspiel auf der A‑Saite klanglich nicht überzeugend gewesen wäre, einer modernen Sichtweise geschuldet, die Solokonzerte mit lautem und großen Ton gleichsetzt. Auch wer heute dieses Konzert aufführt, sollte auf ein eher kammermusikalisches Spiel achten. Er kann dann beweisen, dass die Viola keineswegs behäbig, sondern höchst virtuos, hell und geistvoll klingen kann.
Franzpeter Messmer