Cerha, Friedrich
Konzert für Schlagzeug und Orchester / Impulse für Orchester
Grummelnde Wirbel auf einer tiefen Trommel, dann Bongos; später rhythmische Spitzen hoher Blechbläser und eine langsam einstimmig voranschreitende Melodielinie von Hörnern und Tuba, gestimmte Tempelblöcke beim Einsatz der Streicher sehr eruptiv und mit höchster Ereignisdichte beginnt das Konzert für Schlagzeug und Orchester des österreichischen Komponisten Friedrich Cerha, bevor es sich über einen großen Zeitraum hinweg im zweiten Satz zu einer Art Klangteppich beruhigt, auf dem ein intensives Pendeln sich überlagernder Geschwindigkeiten von Orchester- und Soloschlagzeug galaktische Assoziationen erweckt. Im weiteren Verlauf dann mannigfaltige musikalische Gestalten, u.a. ein Notturno mit zarten Bläser- und Streicher-Akkorden sowie ein Xylo-Gefecht zwischen Solist und Orchesterschlagzeuger, bevor das Konzert durch Wiederholung des Anfangs im Krebsgang endet.
Virtuose und überaus spielfreudige Interpreten dieses Live-Mitschnitts vom November 2011 aus dem Wiener Konzerthaus sind der Schlagzeuger Martin Grubinger und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Peter Eötvös. Cerha schrieb sein Schlagzeugkonzert in den Jahren 2006/07 für den jungen österreichischen Perkussionisten Grubinger, der bei der vorliegenden Aufnahme auf wunderbar souveräne Weise mit den zahlreichen Tücken des Werks umgeht und den großen Umfang des geforderten Instrumentariums virtuos und höchst musikalisch bändigt.
Ist der langjährige Kompositionsprofessor der Wiener Musikhochschule Friedrich Cerha (geb. 1926) bisher trotz seines umfangreichen uvres in der internationalen Öffentlichkeit meistens nur als der Voll-
ender der Oper Lulu von Alban Berg bekannt, so wird dieses Bild mit der vorliegenden CD dankenswerterweise um zwei Meilensteine seines ureigenen Schaffens erweitert. Neben dem aktuellen Schlagzeugkonzert ist auf der neuen CD der Mitschnitt der Impulse für Orchester zu hören, ebenfalls live aufgenommen mit den Wiener Philharmonikern, diesmal unter der Leitung von Pierre Boulez.
Die 1992/93 entstandenen Impulse sind ähnlich virtuos angelegt und ebenso typisch für Cerhas formal sehr vielseitige und von emotional starken Gegensätzen geprägte Musik, in der explosive Strukturen mit stillen und elegischen Momenten entweder schroff abwechseln oder über längere Strecken ineinander überführt werden. Die zweifelsohne vorhandene kompositorische Komplexität der Werke Friedrich Cerhas ist dabei an keiner Stelle artistischer Selbstzweck, sondern steht immer im Dienst der musikalischen Spannung. Ob komplizierte Geschwindigkeitsüberlagerungen oder Klangschichtungen, ob scharfe Schnitte in den Klang oder statische Phasen von Ruhe, die immense Musikalität der Partituren zieht die Hörer unversehens in ihren Bann.
Dem Label Kairos, das sich bisher schon mit drei anderen CDs dem Werk Friedrich Cerhas gewidmet hat, gebührt ein großer Dank für diese auch klangtechnisch überzeugende neue Veröffentlichung.
Stephan Froleyks