Haas, Georg Friedrich
Konzert für Posaune und Orchester
Partitur
Georg Friedrich Haas zählt mittlerweile zu den renommiertesten Komponisten im deutschsprachigen Raum. Geboren 1953 in Graz, studierte er u.a. Komposition bei Friedrich Cerha in Wien, lehrte wiederum in Graz moderne Satztechniken und ist jetzt als Dozent für Komposition an der Musikakademie Basel tätig. Seine Prominenz lässt sich auch daran festmachen, dass er neben seinem noch berühmteren Kollegen Wolfgang Rihm die Ehre hatte, zur Eröffnung der Elbphilharmonie in Hamburg am 11. und 12. Januar 2017 eine Uraufführung für den Kleinen Saal beizusteuern.
Sein Posaunenkonzert wurde am 16. Oktober 2016 in Donaueschingen vom neu formierten SWR Symphonieorchester unter Alejo Pérez mit dem Solisten Mike Swoboda uraufgeführt (der Mitschnitt dieses Konzerts ist immer noch online verfügbar). Die Gestaltung der Solostimme ist natürlich von den herausragenden Fähigkeiten des Starsolisten im Bereich der neuen Musik Mike Swoboda inspiriert, doch verzichtet Haas ausdrücklich auf eine extreme Entgrenzung der spielerischen Möglichkeiten der Posaune und bleibt auf das historische Vokabular des Instruments konzentriert.
Wie in vielen seiner Werke arbeitet Haas mit kontrastierenden Abschnitten und schreibt dazu: ein tonales Harmoniezitat mit Vierteltonschattierungen am Anfang, ein expressiver, an emotional aufgeladenen Sprachmelodien orientierter Mittelteil, der zu einer ausgedehnten Klimax führt, und ein in engen mikrotonalen Melodieschritten singender Schluss als Metaebene abseits der vordergründigen Expressivität der Musik. Auftraggeber dieser Komposition war Armin Köhler, selbst Posaunist und 2014 verstorben.
Haas ist bekannt für seine experimentell ausgerichteten Ver- und Umstimmungen von Instrumenten und die Verwendung von Mikrotonalität. Diese, selbst natürlich nicht neu, wirkt aber durch das jeweilige akustische Verfahren ungewöhnlich und originell. So beginnt das Konzert mit einem sich immer wieder neu von unten nach oben auffächernden c-Moll-Dreiklang diese Technik, natürlich komplexer in der Rhythmik als das Vorbild, erinnert dennoch deutlich an Richard Wagners Vorspiel zu Parsifal. Die Harfe intoniert sodann einen übermäßigen Dreiklang über C, deren Töne aber einen Viertelton tiefer eingestimmt werden müssen. Die Abweichungen sind gut zu hören, noch interessanter sind aber die sich in diese Intonation einschmeichelnden Streicher. Dieser Effekt, auch auf die Bläser angewendet, begegnet im Verlauf des Stücks öfter.
Auch wenn die Posaunenstimme durchaus melodische, mikrotonal gefärbte Verläufe enthält, so bleibt als Gesamteindruck doch eher der musikalische Standard der Klangkomposition haften, zumal die Tonalität bald verlassen wird und clusterhafte, mit Mikrotonalität angereicherte, teilweise an Ligetis Mikropolyfonie orientierte Klangschichten die Oberhand gewinnen. Dennoch überschreitet es die einmal gesetzten dynamischen Grenzen einer eher lyrischen Gesamtatmosphäre nicht, auch wenn im Bereich der Klimax sich ein vorübergehend eruptiver orchestraler Gestus auftürmt.
Kay Westermann