Karl Ditters von Dittersdorf

Konzert für Kontrabass und Orchester, Fassungen E-Dur und D-Dur

Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel/Henle, Wiesbaden/München
erschienen in: das Orchester 11/2019 , Seite 61

Ein knappes halbes Jahrhundert lang blühte vornehmlich in Wien und Umgebung eine Konzertgattung, die erst gut einhundert Jah­re später, im 20. Jahrhundert, wieder den Weg in die Werkverzeichnisse bedeutenderer Komponisten finden sollte: das Konzert für Kontrabass und Orchester. Hoffmeister, Sperger, Vanhal und vor allem Dittersdorf sind die Namen, die man mit dieser Blüte des Kontrabasskon­zerts in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Verbindung bringt. Daneben wird oft noch der verschollene Beitrag Joseph Haydns genannt – ein Verlust, der ob des schmalen Repertoires besonders schmerzt.
Und als ob die geringe Zahl an Originalwerken für Kontrabass nicht an sich schon problematisch wäre, kommt durch eine historische Besonderheit noch hinzu, dass keines der genannten Werke heute auch nur annähernd in der originalen Ge­stalt erklingt. Das hat zunächst einmal gar nichts mit der Frage der Verwendung „historischer“ oder moderner Instrumente zu tun. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, dass die Komponisten in Wien zwischen 1760 und 1800, so also auch Vanhal und Dittersdorf, von der Verwendung der sogenannten „Wiener Stimmung“ ausgingen, bei der der Kontrabass in einer Quarte und zwei Terzen gestimmt wurde und einen Halbton höher klang als notiert. Eine Maßnahme, die zwar zu größerer Brillanz und mehr Durchhörbarkeit der Solostimme führte, die aber heute im Konzertalltag kaum mehr umsetzbar scheint. Zumindest – und hier mag das zahlenmäßig überschaubare Repertoire einen weiteren Grund liefern – scheint es sich für Kontrabasssolisten nicht unbedingt anzubieten, sich auf das Skordatur-Experiment einzulassen.
Während Karl Ditters von Dittersdorfs Konzert ganz sicher das häufiger gespielte der beiden hier vorliegenden Werke ist, darf Johann Baptist Vanhals gut 20 Jahre später entstandenes Es-Dur-Konzert für sich in Anspruch nehmen, das technisch herausforderndere zu sein. Spektakulär ist in beiden Fällen unter Berücksichtigung der musikhistorischen Zusammenhänge lediglich die Wahl des Soloinstruments, weisen doch die sparsame Besetzung des Orchesters mit nur wenigen Bläsern, die zum Streicherapparat hinzutreten, der Ritornell-Charakter mancher Orchestertuttistellen und die Verwendung des Basso continuo nicht unbedingt in die musikalische Zukunft.
Tobias Glöcklers Editionsarbeit vermittelt einerseits einen klaren Einblick in die Quellenlage, legt aber auch Zeugnis ab vom Willen, einen gut austarierten Kompromiss zu finden zwischen historischer Genauigkeit und Nähe zur heutigen Spielpraxis. Die Transposition der gesamten Orchesterstimmen nach D-Dur (Vanhal) bzw. das Angebot zweier Fassungen (in E- und D-Dur bei Dittersdorf) stellen hier bei Weitem den größten Eingriff dar.
Daniel Knödler