Hummel, Johann Nepomuk / Ludwig van Beethoven

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 a-Moll op. 85 / Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Gramola 98938
erschienen in: das Orchester 09/2012 , Seite 76

Die österreichische Pianistin Ingrid Marsoner ist auf CD zuletzt solistisch mit einer einprägsamen Einspielung der Bach’schen Goldberg-Variationen hervorgetreten. Nun hat sie eine Aufname zweier Klavierkonzerte des frühen 19. Jahrhunderts vorgelegt, die das zweite Konzert von
Johann Nepomuk Hummel und das erste von Ludwig van Beethoven, das ja chronologisch betrachtet auch dessen zweites ist, bringt. Die Gegenüberstellung ist vielleicht nicht unbedingt spektakulär, aber auf jeden Fall apart und reizvoll, denn sie zeigt, wie unterschiedlich die Gattung in der Folge Mozarts, dessen Schüler Hummel ja war, interpretiert wurde. Während Beethoven das Klavierkonzert zu klassischer Größe und sinfonischem Anspruch bringt, nimmt Hummel in formal wesentlich lockererer Fügung bereits den poetischen Ton der Romantik vorweg und weist den Weg zur Klavierlyrik Chopins. Es ist mithin eine spannende interpretatorische Aufgabe, in einem Zusammenhang dem Stil beider doch recht unterschiedlicher Werke gerecht zu werden.
Ingrid Marsoner gelingt dies überzeugend. Sie verfügt über eine sichere Technik und eine feine und nuancenreiche Anschlagskultur. Im Konzert von Hummel verbindet sie auf der Basis ihres höchst kultivierten und überlegten Klavierspiels Übersicht über den und kluge Disposition des musikalischen Verlaufs mit einer empfindsamer Gestaltung der Charak-tere. Besonders der kurze Mittelsatz wird zu einer erfüllten Momentaufnahme.
Was die Wiedergabe des C-Dur-Klavierkonzerts von Beethoven in erster Linie auszeichnet, ist der frische und spielerisch beschwingte Grundcharakter. Die Zeitmaße der Rahmensätze sind zügig und impulsiv; fließend und frei ausschwingend ist der Charakter des langsamen Satzes. Gekünstelte Manieren oder virtuose Selbstgefälligkeit sind Ingrid Marsoner fremd. Sie spielt mit sicherer Geste und klar in der motivischen Formulierung, wenn geboten auch mit feuriger Brillanz. Aber immer überzeugen die Schönheit der Tongebung, die Subtilität der Phrasierung sowie die Sorgfalt in der Diktion.
Das Sinfonie Orchester Biel, zuhause im Schweizer Kanton Bern und ein in diesem Repertoire versierter Klangkörper, spielt mit lockerem Gestus und transparent, ja geradezu kammermusikalisch im Satz. Thomas Rösner am Pult greift zum Beispiel in der wandlungsfähigen und innerlich belebten Dynamik Stilmittel der historisch informierten Aufführungspraxis mit auf, ohne in dieser Hinsicht dogmatisch zu erscheinen. Auch Dirigent und Orchester haben so ihren Anteil an einer animierenden Einspielung der beiden Konzerte, die zu hören viel Freude macht. Die Aufnahmetechnik ist vorzüglich und gibt Klavier- wie Orchesterklang naturgetreu wieder.
Karl Georg Berg