Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester Nr. 1/ Symphonie Nr. 9
Yefim Bronfman (Klavier), Hannes Läubin (Trompete), Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Ltg. Mariss Jansons
Mit dem Tod Mariss Jansons’ am 1. Dezember 2019 ging eine langjährige Ära schmerzlich zu Ende. Seitdem erscheinen immer wieder Aufnahmen mit ihm und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Vorliegende Einspielungen sind schon etwa ein Jahrzehnt alt. So wurde Schostakowitschs Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester als Live-Konzert im Münchner Herkulessaal der Residenz bereits Mitte Oktober 2012 mitgeschnitten, die 9. Symphonie gar schon am 21. März 2011 im Großen Saal des Musikvereins in Wien.
In München waren damals der Pianist Yefim Bronfman und der Trompeter Hannes Läubin zu Gast, die zusammen das frühe und auch von der außergewöhnlichen Besetzung auffallende, unkonventionelle wie frische Werk des erst 27-jährigen Schostakowitsch zum Erklingen brachten. Damals, 1933, als das Werk uraufgeführt wurde, hatte sich die sowjetische, auf den sozialistischen Realismus gemünzte Musik noch nicht auf ihn eingeschossen, weswegen er einen relativen Freiraum besaß.
Diese Frische und Intensität kitzelt Mariss Jansons aus dem bestens eingestellten Streicherapparat auch gleich nach den ersten Takten heraus. In temperamentvollen Passagen mit motorisch anmutenden Sechzehnteln und Zweiunddreißigsteln in atemberaubender Schnelligkeit mit bis zu 160 Schlägen pro Minute drängt sich der rasante Satz nach vorne, der Klavierpart verlangt Yefim Bronfman einiges an virtuoser Technik ab. Beinahe kontemplativ dafür der ruhige Teil mit den zurückhaltenden Streichern und den weltabgewandten, dennoch nüchternen Trompetenmelismen. Hannes Läubin, langjähriger Professor für Trompete an der Münchner Musikhochschule und sehr gerne gesehener Gast im BR-Symphonieorchester, interpretiert seine relativ kurzen Einwürfe auch in den schwierigen Höhen mit schönem Ton, die schnellen Teile mit virtuoser, stilsicherer Technik. Rasant, turbulent gar der letzte Satz, der in aberwitzige Passagen mündet, die verschiedene, selbst trivial anmutende Stile offen zusammenbringt. Vor allem spiegelt das Finale auch Schostakowitschs Tätigkeit als Pianist in Kinos und seine Stilistik aus den Theatermusiken wider.
Widerstrebende Ironie in seiner 9. Sinfonie: Stalin hatte nach Ende des II. Weltkrieges ein monumentales Werk à la Beethovens Neunter gefordert, was Schostakowitsch nicht erfüllte. Mariss Jansons und das nun voll besetzte Symphonieorchester des BR folgt dessen unverhohlener und beißender Ironie, insbesondere im Kopfsatz trifft sie ins Mark. Zu Herzen gehend das melancholisch vorgetragene Fagottsolo, das in den turbulenten letzten Satz mündet. Nicht von ungefähr wurde der Inhalt des Booklets auch mit „Zirkus, Zirkus“ betitelt, worin Jörg Handstein auf die beiden verwandten Werke eingeht. In Zeiten des Friedens mag der Hörer über solch musikalisches Zeugnis schmunzeln, doch zu Schostakowitschs Zeiten der 1930er und 40er Jahre konnte dieser Spott auch tödlich enden.
Werner Bodendorff