Louis Spohr

Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 Es-Dur op. 57

Urtext, hg. von Ullrich Scheideler, Partitur

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel
erschienen in: das Orchester 04/2022 , Seite 69

Trotz seiner nicht bestreitbaren Bedeutung für die Musikgeschichte bringt die Musikhistoriografie dem aus Braunschweig stammenden Komponisten und Violinvirtuosen Louis Spohr heute nur wenig Beachtung entgegen. Betrachtet man allein dessen pädagogisches Wirken, so wird deutlich, dass er auch für nachfolgende Generationen von prägender Bedeutung gewesen ist: So war der Violinist Ferdinand David, der Freund Mendelssohn Bartholdys und der wesentliche Impulsgeber für dessen bekanntes Violinkonzert, Spohrs Schüler.
Auch als Komponist hat Spohr ein äußerst vielseitiges und interessantes Œuvre geschaffen. Dass er eine ganze Serie an Violinkonzerten hinterlassen hat, erscheint angesichts seiner eigenen Virtuosenkarriere geradezu als Selbstverständlichkeit. Doch hat er auch Konzerte für andere Instrumente komponiert – auch für solche, denen als Soloinstrument im 19. Jahrhundert nur noch selten Beachtung geschenkt wurde. Anders als im 18. Jahrhundert – z.B. noch bei Mozart – spielten im 19. Jahrhundert Bläser als Solisten im Konzertschaffen der heute als Großmeister etablierten Komponisten wenn überhaupt nur noch eine untergeordnete Rolle.
Durch die vorliegende wissenschaftlich-kritische Ausgabe von Spohrs Konzert für Klarinette und Orchester Nr. 2 in Es-Dur erfährt somit ein durchaus interessantes Werk eine angemessene Würdigung. Das informativ gestaltete Vorwort des Herausgebers Ullrich Scheideler in Deutsch und Englisch enthält detailreiche Angaben von der Werkentstehung über die Uraufführung bis hin zur Erstveröffentlichung. Der dem Vorwort folgende Abdruck der ersten Seite der Erstausgabe mit der Stimme der Soloklarinette dient nicht nur der Zierde der vorliegenden Ausgabe, sondern erhöht zugleich deren Anschaulichkeit, da es sich hierbei um eine der für die vorliegende Urtextausgabe herangezogenen Quellen handelt.
Die Quellen sind auch im Kritischen Bericht am Ende des Bands mit ihren genauen Standorten aufgeführt. Unter anderem handelt es sich um Material aus dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und der Bibliothek der Allgemeinen Musik-Gesellschaft Zürich. Der Kritische Bericht gibt in den Einzelbemerkungen wichtige Hinweise zu editorischen Eingriffen und zur Klärung von Unstimmigkeiten. Zudem werden dort einleitend die der Edition zugrundegelegten Prinzipien einschließlich der Notation offengelegt.
Leider ist der Notentext der Partitur durch die Positionierung von jeweils zwei Systemen je Seite etwas klein geraten, sodass zwar nicht beim Studium des Notentexts, jedoch beim praktischen Musizieren bzw. Dirigieren Schwierigkeiten in der Lesbarkeit nicht ausgeschlossen werden können. Dies schmälert den Wert der vorliegenden Edition allerdings nur marginal. Für die Rezeption von Louis Spohr und seinem Schaffen ist die vorliegende Urtextausgabe von essenzieller Bedeutung und es bleibt zu wünschen, dass ihrem Vorbild noch weitere Editionen von Werken aus dem reichhaltigen Œuvre des Meisters folgen werden.
Bernd Wladika