Ludwig van Beethoven

Konzert D-Dur op. 61

für Violine und Orchester, Arrangement für Violine und Streichorchester von Wolfgang Birtel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Dohr, Köln
erschienen in: das Orchester 04/2023 , Seite 64

Ludwig van Beethovens Violinkonzert, eines der bekanntesten Werke dieser Gattung, lebt geradezu von der sorgfältigen und ausgewogenen Verteilung der orchestralen Klangfarben – ein bedeutsames Kennzeichen dafür, dass es sich hier wie auch in den letzten beiden Klavierkonzerten um idealtypisch ausgeprägte Vertreter des sinfonischen Konzerts handelt. Das Arrangement für Streichorchester, das Wolfgang Birtel mit dieser Ausgabe vorgelegt hat, geht daher mit empfindlichen Eingriffen in die Grundkonzeption des Werks einher, weil die dramaturgisch geschickt eingesetzte Vielfarbigkeit einem monochromen Ansatz weichen muss. Um den ursprünglichen instrumentatorischen Erwägungen Beethovens wenigstens einigermaßen gerecht werden zu können, nimmt der Arrangeur an vielen Stellen eine Zweiteilung der Stimmen (mit Ausnahme des Kontrabasses) vor – erweitert also den fünfstimmigen Streichersatz zur Neunstimmigkeit – und setzt zudem immer wieder auch solistische Orchesterstreicher anstelle des Tuttis ein.
So schafft er zwar einen gewissen Ersatz für die fehlenden Bläser und Beethovens orchestrale Farbigkeit; im Gegenzug wird aber die im Original so wichtige Verschränkung von Solopart und Orchesterstimmen weitaus problematischer: Denn sie verliert viel von ihrem Reiz, weil die führende Violine häufig im Streicherapparat oder in den Orchestersolisten unterzugehen droht. Darüber hinaus mutet nun auch die Gesamterscheinung des Violinkonzerts etwas eintönig an, da der ausgeprägte Instrumentationskontrast zwischen den beiden raschen Rahmensätzen und dem schon bei Beethoven sehr streicherbetonten langsamen Mittelsatz fast vollständig eingeebnet wird.
Der Vorteil, das Violinkonzert durch dieses Arrangement einem erweiterten Interpretenkreis zu erschließen, geht also insgesamt mit einigen empfindlichen Einbußen einher, die sich auf die musikalische Wirksamkeit der Komposition auswirken. Wer das Werk in dieser Form aufführen möchte, muss sich dieses Umstands auf jeden Fall bewusst sein und mit den Verlusten leben können. Problematisch ist darüber hinaus, dass Birtel in seinem Arrangement die bei Beethoven genau ausgewiesenen Unterschiede zwischen verschiedenen Artikulationsformen – nämlich jener mit Punkten und jener mit Keilen – vollständig unter den Tisch fallen lässt und zugunsten einer vereinheitlichten Auszeichnung durch Punkte ersetzt. Ist der Einsatz von Orchestersolisten oder die Benutzung von Stimmenteilungen beim Arrangement noch nachvollziehbar, verschließt sich dann doch der Sinn dieser nivellierenden Entscheidung.

Stefan Drees