Johann Stamitz
Konzert C-Dur für Violine und Orchester Nr. 2
hg. von Kuo-Hsiang Hung, Partitur/Ausgabe für Violine und Klavier, Klavierauszug und Stimme
Das im Vorwort von Partitur und Klavierauszug formulierte Plädoyer des Herausgebers, man sollte den insgesamt zwölf vollständig überlieferten Violinkonzerten von Johann Stamitz (1717-1757) doch mehr Aufmerksamkeit schenken, ist nicht übertrieben. In der Tat entpuppt sich das C-Dur-Konzert als eine Art Bindeglied zwischen den italienischen Violinkonzerten beispielsweise aus der Feder Giuseppe Tartinis oder Pietro Nardinis und dem gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufblühenden Stil der französischen Schule um Komponisten wie Rodolphe Kreutzer und Pierre Rode.
Vor allem die anspruchsvollen Aufgaben für die linke Hand belegen nachdrücklich, dass Stamitz die Entwicklung der Violintechnik ein ganzes Stück weit vorangetrieben hat: So basieren weite Teile des ersten und letzten Soloeinsatzes im eröffnenden Allegro vivace aus melodischen Terzen- und Sextgängen, die anschließend von Arpeggien abgelöst oder – im Mittelteil des Satzes – in Triolenpassagen voller Saitenwechsel überführt werden. Das Adagio wiederum weist den Komponisten als Meister einer auf feine Details bedachten kantablen Gestaltung aus.
Dass man das Konzert aufgrund seiner Besetzung – neben dem Streichorchester sind auch jeweils zwei Oboen und Hörner vorgeschrieben – wahrscheinlich eher zu den späten Werken des Komponisten zählen kann, ist allerdings nur die halbe Wahrheit, schließt das Stück doch mit einem Allegro, dessen formaler wie spieltechnischer Anspruch weit hinter die übrigen Werkteile zurückfällt. Dies führt den Herausgeber zu der naheliegenden Vermutung, aufgrund der konservativen zweiteiligen Anlage mit zwei jeweils wiederholten Satzteilen und simplem Orchestersatz handle es sich hierbei möglicherweise um die Bearbeitung eines Suitensatzes aus einer wesentlich früheren Komposition.
Auch wenn die Gesamtwirkung des Konzerts aufgrund dieser Diskrepanz etwas uneben ist, hat der Herausgeber doch sehr gute Arbeit geleistet: Seine Edition, entstanden auf der Grundlage einer Kopistenabschrift aus dem Staatlichen Gebietsarchiv Třeboň (Tschechische Republik), zeichnet sich durch Sorgfalt aus, die Korrekturen sind im Vorwort der Partitur im Rahmen eines kurzen Kritischen Berichts aufgelistet und sinnvoll ergänzte Bindebögen wurden im Druck punktiert hervorgehoben.
Die Ausgabe für Violine und Klavier, von Ekkehard Krüger mit einem überzeugenden Klavierauszug ausgestattet, erfordert allerdings einen versierten Interpreten, da der Herausgeber vollständig auf eine Auszeichnung mit Fingersätzen und Bogenstrichen verzichtet und der Notentext darüber hinaus auch keinerlei Angaben zu Dynamik und Artikulation enthält, obgleich er generell genügend Raum für kunstvolle Phrasierungen und gegebenenfalls auch Verzierungen bietet. Es ist daher angebracht, sich mit den Prinzipien der zeitgenössischen Aufführungspraxis auszukennen, um das Potenzial des Werks voll ausschöpfen zu können.
Stefan Drees