Carl Stamitz

Konzert C-Dur für Fagott und Orchester

Urtext, Partitur/Klavierauszug

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Bärenreiter
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 67

Berühmt und beliebt war der Komponist Carl Stamitz (1745-1801), Sohn des Gründers der Mannheimer Schule Johann Wenzel Stamitz und einer der wichtigsten und produktivsten Repräsentanten der Zweiten Mannheimer Schule. Er erhielt eine fundierte Musikausbildung, zunächst bei seinem Vater, nach dessen Tod bei Franz Xaver Richter, Christian Cannabich und Ignaz Holzbauer. Mit 17 Jahren trat er als zweiter Violinist in die Mannheimer Hofkapelle ein, begab sich zusammen mit seinem Bruder 1769 nach Paris, wo er sich sieben Jahre aufhielt, war viel auf Konzertreisen und vertreten in den Pariser Concerts Spirituels, einer für die musikalische Entwicklung in Europa wegweisenden Konzertreihe. Er komponierte 50 Sinfonien, 38 konzertante Sinfonien, mindestens 60 Solokonzerte, davon sieben Fagottkonzerte. Heute ist nur noch sein letztes in F-Dur bekannt. Der Bärenreiter-Verlag hat jetzt sein vorletztes in C-Dur herausgebracht.
Es liegt in einer schönen Ausgabe der Urtextreihe als Klavierauszug und als Orchesterpartitur vor. Zugrunde liegen drei Quellen, die im Vorwort leider nicht benannt werden (wohl aber für ein anderes Fagottkonzert). Auf der Internetseite des Verlages ist zu lesen, dass unter anderem das Manuskript einer Fassung für Violoncello hinzugezogen wurde. Leichte editorische Anpassungen in der Artikulation und Dynamik sind erwartungsgemäß gestrichelt oder in Klammern gesetzt. Man hat sich dafür entschieden, das nur im Klavierauszug und in der Partitur zu tun, in der Fagottstimme sind die Anpassungen nicht als solche ersichtlich – schade, man möchte als Hauptinterpretin doch eigentlich auf dem gleichen Kenntnisstand wie der Korrepetitor oder die Dirigentin sein, ohne sich das umständlich in die Stimme einzutragen. Das Vorwort ist nachlässig übersetzt, z. B. dürfte mit „Mannheimer“ die Hofkapelle gemeint sein, bei den Concerts Spirituels handelt es sich um eine renommierte Konzertreihe und nicht um einen Ort.
Das Konzert an sich ist eine Entdeckung – für Fagottisten ein Glücksfall, farbig und kurzweilig, mit Schwung und Esprit. Mit der Herausgabe leistet der Fagottist Ondřej Šindelář einen wichtigen Beitrag zur Würdigung des Komponisten. Die letzte Veröffentlichung liegt lange zurück, etwa 240 Jahre.
Die Ecksätze entfalten Pracht mit zusätzlich zwei Oboen und zwei Hörnern zum Streichorchester. Im Rondeau, dem dritten Satz, grüßt Mozart mit seinem Fagottkonzert: Anklänge daran sind im Rondothema, in manchen Variationen und im Charakter unüberhörbar. Im zweiten Satz, einem Andante grazioso, kann man Verwandtschaft zu François Devienne finden, der als Komponist sowie als virtuoser Flötist und Fagottist besonders in Frankreich Vorbild für viele seiner Generation war.
Der Klavierauszug stammt von dem Komponisten, Mathematiker und Physiker Petr Koronthály. Er klingt gut, ist klar und im besten Sinne schlackenlos. Es bereitet große Freude, sich mit diesem Jahrhunderte lang vergessenen Fagottkonzert zu befassen.
Annette Winker