Cerha, Friedrich

Konzert

für Schlagzeug und Orchester, Studienpartitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2008
erschienen in: das Orchester 09/2016 , Seite 63

Seit mehr als einem halben Jahrhundert steht er beharrlich für die Moderne in Österreich ein, der kürzlich 90 Jahre alt gewordene Komponist, Hochschullehrer, Dirigent und Organisator Friedrich Cerha. In seinen künstlerischen Anfängen, als er mit seinem von ihm gegründeten Ensemble „Die Reihe“ Werke von Komponisten wie György Ligeti oder Pierre Boulez aufführte, noch heftig angefeindet, wurde er im Laufe der Jahrzehnte zur allgemein respektierten und inzwischen sogar verehrten Vaterfigur der österreichischen Musik.
Ein herausragendes Beispiel von Cerhas in keinerlei Hinsicht müdem Altersstil ist das in den Jahren 2007/08 entstandene Konzert für Schlagzeug und Orchester, das er auf Anfrage des damals noch jungen, aber schon bekannten österreichischen Schlagzeugers Martin Grubinger komponierte. Uraufgeführt wurde das extrem virtuose Werk 2009 von Grubinger und dem Hochschulorchester des Salzburger Mozarteums, eine CD-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Peter Eötvös erschien bei Kairos.
Der Solo-Part des Werks nutzt in jedem der drei Sätze ein eigenes, umfangreiches Instrumentarium, wobei der Schlagzeuger jeweils die Position wechselt, ehe er zum Schluss in die erste zurückkehrt. Anfang und Ende des Stücks sind von eruptiven Klangblöcken geprägt, wobei die Trommeln dominieren.
Im zweiten, lyrischen Satz, der vor allem die lang klingenden Schlaginstrumente (Vibrafon, Crotales, Gongs etc.) nutzt, beruhigt sich der bohrend insistierende Charakter der Musik zu einer Art Klangteppich, der aus sich überlagernden Geschwindigkeiten von Orchester- und Solo-Schlagzeug gewoben ist. Dieser langsam kreisende Gestus wurde laut Cerha inspiriert durch die Bahnbewegungen der Planeten, er erinnert durch die Instrumentation aber auch an asiatische Klangwelten. Der dritte Satz mit Scherzando-Charakter ist beherrscht durch hohe und helle Holzklänge, die sich zu einem Xylofon-Gefecht zwischen Solist und Orchesterschlagzeuger steigern, bevor das Konzert durch Wiederholung des Anfangs im Krebsgang endet.
Wie in allen seinen Werken der vergangenen fünfzig Jahre ist auch im Schlagzeugkonzert deutlich nachvollziehbar und wahrnehmbar, wie es Cerha gelingt, aus der Vielfalt seiner individuellen Erfahrungen organisch stimmige und dennoch komplexe musikalische Formen zu generieren. Seine kompositorische Virtuosität und die außerordentliche handwerkliche Qualität in der Umsetzung seiner Einfälle in der Großform eines riesig besetzten Instrumentalkonzerts sind beeindruckend. An der Studienpartitur und der erwähnten CD-Produktion kann dies wunderbar nachvollzogen werden.
Stephan Froleyks