Konzert

Rubrik: Noten
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Seit jeher ist es dem Komponisten Peteris Vasks ein Anliegen, mit seiner Musik eine menschen- und naturbezogene Botschaft zu verbinden. Dabei gelingt es ihm, sich ganz ohne Pathos, ohne jede Spur von Trivialität oder Gefälligkeit unmittelbar verständlich und wirkungsvoll mitzuteilen. Die tragende Idee seines Konzerts scheint mir eine ganz besondere Art der Flötenrede zu sein (sie braucht dazu einen geradezu unendlichen Atem!), die das Gefühl vermittelt, als Hörer und Spieler der Entstehung der Musik folgen zu können. Die hier der Flöte zugestandenen Ausdrucksdimensionen hätte man vermutlich früher nur der Violine zugetraut. Das mag erklären, warum es ein Flöte und Orchester derart sinfonisch verflechtendes Konzert bisher noch nicht gegeben hat (das Konzert von Nielsen käme dem noch am ehesten nahe).
Uraufgeführt wurde das Stück am 23. Januar 2009 in Köln durch Michael Faust (dem das Konzert gewidmet ist und der seine Entstehung wesentlich begleitet hat) und das WDR Sinfonieorchester Köln unter Semyon Bychkov. Hört man die Aufzeichnung des Konzerts, die der Flötist dankenswerterweise durch einen Link auf seiner Homepage zugänglich gemacht hat, versteht man gut, dass sich die zahl- und klangfarbenreiche Schlagzeuggruppe, die wesentlichen Anteil am musikalischen Geschehen hat, im Klavierauszug nicht vollständig darstellen lässt; man hat damit aber eine selbstständige und gut spielbare Version des Werks. Nur im Mittelsatz wäre es vielleicht besser gewesen, die Takte 4, 8, 13 und 17 nicht einfach leer zu lassen, sondern zumindest „kleingedruckt“ anzudeuten, was da im Orchester passiert. Auch ist im Klavierauszug der Schluss dieses Satzes einige Takte kürzer als die Orchesterfassung. Das aber nur am Rande.
Völlig im Gegensatz zur üblichen Konzertform schnell/langsam/ schnell besteht das Konzert aus zwei langsamen Sätzen, die einen ausgedehnten, in der Mitte eine große Solokadenz enthaltenden, schnellen Mittelsatz umrahmen. Der erste Satz (ca. 8 Min.) – cantabile I Misterioso – vermittelt eine friedliche, fast heitere Naturstimmung. Schön das innige Zwiegespräch der Flöte mit den Bläsern des Orchesters, allerdings hat ihr unablässiger Gesang durchaus etwas Drängendes. Im zweiten Satz (ca. 12 Min.) – quasi una burlesca Allegro – deutet sich eine kämpferische Auseinandersetzung an, die Schlagzeug-Gruppe bewirkt geradezu apotheotische Steigerungen. Als Kontrast auch hier wieder „befriedende“ Zwiesprache mit den Orchesterbläsern. Der dritte Satz (ca. 12 Min.) – cantabile II Adagio – wirkt nach dem Tumult des zweiten wie aus einer anderen Welt, ist im Orchesterklang wunderbar ausgehört. Nach Steigerung und thematischer Rückbindung an den ersten Satz dann ein unglaublich anrührender Ausklang im Dialog von Flöte und Orchester-Piccolo.
Mit diesem Konzert ist Vasks eine in der Konsistenz von Melodik, Harmonik und rhythmischem Geschehen ungemein eindrucksvolle Musik gelungen, in der die für ein Konzert notwendige Virtuosität ganz im Dienst der musikalischen Aussage steht.
Ursula Pešek