Reidemeister, Peter (Hg.)

Konrad Lechner

Leben, Werk, Erinnerungen, Dokumente. Eine Gedenkschrift

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Edition Gamma, Bad Schwalbach 2011
erschienen in: das Orchester 07-08/2011 , Seite 67

1953 berichtete ein Musikkritiker im Darmstädter Tageblatt bei Gelegenheit eines Konzerts von einem „kleinen Ereignis“. Gemeint war ein sparsam besetztes Requiem, dessen Musik „so sehr aus inneren Kräften geformt ist, dass man nicht mehr an neu oder alt denkt, sondern nur noch von dem tragenden Strom dieser zutiefst wahren und wirklichen Musik ergriffen wird“. Der Name des Komponisten: Konrad Lechner (1911-1989).
Wer kennt ihn heute noch? Besser ist es um seinen Namensvetter aus der Renaissance-Epoche bestellt, nämlich Leonhard Lechner, ebenfalls Nürnberger. Während diesem ein ehrendes Andenken bewahrt wird, ist Konrad Lechner den Blicken (und wohl auch Ohren) der Öffentlichkeit weitgehend abhanden gekommen. Manche Fachlexika nennen in ihren Neuausgaben nicht einmal mehr seinen Namen. Ein wenig hat Lechner diesem Vergessensprozess freilich zugearbeitet, tat er doch nichts, was einem Nachruhm oder auch nur einem Nachwirken hätte dienlich sein können. Das versuchen jetzt aus Anlass des 100. Geburtstags Schüler und künstlerische Weggefährten mit einer Gedenkschrift einigermaßen nachzuholen, wobei Peter Reidemeister (ehemals Flötist der Berliner Philharmoniker und der Deutschen Bachsolisten) den Wortführer abgibt.
Reidemeister lernte bei Lechner während der siebziger Jahre in Freiburg, wo dieser von 1948 bis 1953 und dann nochmals von 1969 bis 1974 vielseitig tätig war. Dem Abschied, noch gefolgt von einem reichen kompositorischen Schaffen, war eine künstlerische Entwicklung vorausgegangen, welche in ihrer Weitläufigkeit vielleicht als Odyssee bezeichnet werden könnte, hätte der „Schiffer“ sein Ziele nicht immer klar und überzeugungsvoll vor Augen gehabt. Lechner begann mit einem Cellostudium bei Hugo Becker, der noch mit Clara Schumann gespielt hatte. Nach einjähriger Tätigkeit im Bayerischen Staatsorchester u.a. unter Hans Knappertsbusch schloss er sich dem Pianisten Edwin Fischer an.
Dann erlebte er das Münchner Fideltrio mit Dufay, Ockeghem und anderen. „Die Faszination, die von diesen Werken ausging, übertrug sich auf mein ganzes Leben“ und habe später auch zum Flötenspiel geführt, vor allem dem auf der damals keineswegs „hoffähigen“ Blockflöte. Hinzu kamen Dirigierkurse (etwa in Salzburg bei Clemens Krauss), Kompositionsunterricht u.a. bei Carl Orff. Das alles verband sich zu einem enzyklopädischen Musikverständnis. Er gab es an seine Schüler weiter; viele haben an der reichhaltigen Gedenkschrift mitgewirkt. Einer ist Sohn Florian, welcher über seinen Vater sagt: „Konrad Lechner war für mich genialer Musiker, Interpret und Lehrer. Seine Suche galt dem Geheimnis der Ganzheit, (dem) Zusammenspielen von Licht und Klang, von Bewegung und Raum, von Geist und Materie.“ So viel Vermögen sollte eigentlich nicht der Vergessenheit anheimfallen.
Christoph Zimmermann