Aliette de Laleu
Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke
aus dem Französischen übersetzt von Petra Willim
Um die Werke von Frauen in der klassischen Musik, das bis heute vorherrschende maskuline Bild in der Musikwelt und dessen Geschichte geht es in Aliette de Laleus Buch Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke. Auf 174 Seiten wird in sechs Kapiteln eine geschichtliche Verortung von Komponistinnen, Musikerinnen, Sängerinnen und Journalistinnen vorgenommen, unterteilt u.a. in die Epochen Barock, Klassik, Romantik, Musik des 20. Jahrhunderts und zeitgenössische Musik. Kernpunkt des Werks ist die Erkenntnis, dass klassische Musik in der Außenwirkung immer noch sehr männlich konnotiert ist, während es Frauen schwer haben und in der Historie meist gar nicht erwähnt werden oder nur als Musen, Ehefrauen oder Geschwister.
Beispielhaft herausgegriffen werden u. a. Sappho, Kassia, Hildegard von Bingen, die Trobairitze; für die Barockzeit: Barbara Strozzi, Francesca Caccini, Élisabeth Jacquet de La Guerre und Anna Magdalena Bach; für die Klassik: Anna Maria Mozart, Julie Candaille und Caroline Wuiet; für die Romantik: Fanny Mendelssohn, Clara Schumann, Alma Mahler, Louise Farrenc und Augusta Holmès und für das 20. Jahrhundert: Lili und Nadia Boulanger, Clara Haskil, Jacqueline Du Pré und die Geigerin Ginette Neveu sowie in der zeitgenössischen Musik: Betsy Jolas, Meredith Monk, Édith Canat de Chizy und Kaija Saariaho. Zu den Kapiteln wird jeweils eine Playlist vorgeschlagen, die man sich anhören sollte, z. B. von Hildegard von Bingens Ordo virtutum. Nebenaspekte sind der Ausschluss der weiblichen Gesangsstimme und der Einbezug von Kastraten, Einblicke ins weibliche Sterben in der Oper, weibliche Instrumente, Schwierigkeiten für Dirigentinnen, schwarze Sängerinnen wie Jessye Norman und schwarze Instrumentalistinnen wie die Pianistin Isata Kanneh-Mason. Durch diese Schlaglichter kommt Aliette de Laleu zu der Frage: Wer hat die Frauen aus der Musikgeschichte gelöscht? Ursachen sind das Patriarchat und die Misogynie. Ziel ist es, diese Gründe deutlich zu machen, damit sich die Geschichte der rein männlich konnotierten Musik nicht wiederholt, und dazu anzuregen, Werke von Komponistinnen zu entdecken und Interpretinnen kennenzulernen.
Diese kritische Auseinandersetzung mit der männlich konnotierten Musikgeschichte ist stets hinterfragend und versucht, neue Blickpunkte aufzuwerfen. Das Buch ist sehr locker geschrieben, nicht rein sachlich, und somit auch für musikalische Laien gut zu verstehen, die sich mit der Musikgeschichte noch nicht so gut auskennen. Allerdings beschränken sich die Angaben zur Musikgeschichte überwiegend auf Frankreich. Es gelingt ein erster Einblick in ein umfangreiches Thema.
Claudia Behn