Bodo Plachta/Achim Bednorz
Komponistenhäuser
Wohn- und Arbeitsräume berühmter Musiker aus fünf Jahrhunderten
In welcher sozio-kulturellen Umgebung entstand klassisch gewordenes Repertoire? Dem sanktionierten Kanon der bürgerlichen Musikrezeption folgend, haben Bodo Plachta (Text) und Achim Bednorz (Fotos) in doch subjektiver Auswahl 27 „Wohn- und Arbeitsräume berühmter Musiker“, vor allem aus Zentraleuropa, vom Barock bis zur Moderne beschrieben und visuell dokumentiert.
Das Interesse und Engagement, an bedeutende Musikerpersönlichkeiten sicht- und nahbar zu erinnern, begann im 19. Jahrhundert. Deshalb sind Original-Komponistenhäuser aus früherer Zeit nicht oder nur rudimentär erhalten, auch bedingt durch Kriegszerstörungen oder Nachlässigkeit. Der Dienstsitz von Johann Sebastian Bach in Leipzig etwa wurde im Zuge städtebaulicher Modernisierung 1902 abgerissen.
Trotzdem blieben dort einige Gebäude intakt und wurden als Gedenkstätten eingerichtet, so für Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann und Edvard Grieg, der beim Musikverlag C.F. Peters eine saisonale Unterkunft hatte, sein Komponierkontor in Troldhaugen (Norwegen) wird aber nicht erwähnt. Außer Leipzig ist auch Wien mit mehreren Komponisten wie Franz Schubert, Wolfgang Amadeus Mozart und Johannes Brahms vertreten.
Kurze Biografien und das historische Umfeld charakterisieren auf diese Weise ein je individuelles Milieu. Wozu insbesondere Detailwissen über Interieurs (Möbel, Tapeten, Instrumente etc.) der Lebens- und Arbeitsgewohnheiten gehören, sodass in Verbindung mit den darauf fokussierten Fotos gewisse sinnliche Eindrücke entstehen.
Ein anderer Aspekt sind imposante Luxusvillen – „architektonische Selbstporträts“ –, die sich arrivierte Komponisten wie Giuseppe Verdi oder Richard Strauss leisten konnten, während Maurice Ravel oder Gustav Mahler eher abgeschiedene Refugien kauften.
Wo keine Relikte von Wohnungen geblieben oder verfügbar (Familienbesitz) waren, bemühte man sich um Rekonstruktionen wie das Arbeitszimmer von Arnold Schönberg oder sorgte für ein Museum (meistens mit Archiv) wie die Villa Wahnfried von Richard Wagner. So ergibt sich eine durchaus repräsentative Typologie der Komponistenhäuser, wenn auch Vergleiche zu nicht so wohlhabenden Kollegen (von Kolleginnen ganz zu schweigen) fehlen.
Zwar kann der opulente Bildband keine Geheimnisse klassischer Musikproduktion lüften, aber er zeigt anschaulich, dass Komponisten nicht in Kokons lebten, sondern viele von ihnen Familie und Kinder, Pflichten und Arbeitsdisziplin hatten, Geschäftsleute und Manager ihrer selbst waren. Manche Schwächen einzelner – die Alkoholsucht von Max Reger oder die psychische Labilität von Robert Schumann – werden punktuell genannt, aber nicht immer genau kontextualisiert. Neben Reisen und Konzerttätigkeiten war das jeweilige Komponistenhaus gerade im Alter ein willkommener Ort der Ruhe. Diese Impressionen, und das ist ein Verdienst der Autoren, erhöhen die Komponisten nicht zu weltfremden Genies in goldenen Käfigen, sonden bringen sie auf menschliches Maß.
Hans-Dieter Grünefeld