Heister, Hanns-Werner / Walter-Wolfgang Sparrer (Hg.)

Komponisten der Gegenwart

33. und 34. Nachlieferung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: edition text + kritik, München 2007
erschienen in: das Orchester 02/2008 , Seite 60

An den geplagten Sisyphos wird man jedesmal erinnert, wenn wieder eine neue Lieferung des Loseblattlexikons Komponisten der Gegenwart eintrifft. Auf ein unmöglich zu vollendendes Projekt haben sich Hanns-Werner Heister und Walter-Wolfgang Sparrer, die beiden Herausgeber, eingelassen: Musikgeschichte zu dokumentieren, die nicht bereits gut abgehangen ist, sondern sich in jedem Moment dynamisch entwickelt, sodass die schwarz auf weiß niedergelegten Daten oft zugleich mit ihrer Veröffentlichung schon dem Prozess des Veraltens unterliegen.
Folgerichtig stehen inzwischen, da ein umfangreicher Grundbestand von Komponisten und Komponistinnen wenigstens auf zweiseitigen „Grundblättern“ erfasst ist, die Aktualisierungen älterer Informationen im Vordergrund. In der 33. und 34. Nachlieferung betrifft das die Korrektur und Fortschreibung von Biografien, Werkverzeichnissen, Bibliografien und Diskografien etwa bei Manfred Stahnke, Heinz Holliger, Mauricio Kagel oder dem fast hundertjährigen, aber ungebrochen schaffensfreudigen Elliott Carter, um nur besonders auffällige Beispiele zu nennen. Ein Fall für sich ist nach wie vor der geheimnisumwitterte Giacinto Scelsi: „Aufgrund von widersprüchlichen Angaben zur Entstehung insbesondere der frühen Werke, zahlreichen verschollenen Kompositionen und möglicher irreführender Datierungen von Scelsi selbst kann das vorliegende Werkverzeichnis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur als vorläufig betrachtet werden“, las man in der 9. Nachlieferung von 1996, aber die revidierte Fassung von 2007 kann nicht umhin, trotz manchen Zuwachses an Informationen diesen Satz fast wörtlich wieder zu zitieren.
Oft betrifft der Blätteraustausch jedoch nur minimale Retuschen oder das Hinzufügen schlichter Todesmeldungen. Wenn man dazu noch sieht, dass das erzwungene Patchwork beim Blättertausch gelegentlich die Verwaltung der einzelnen Verzeichnisse mit Ziffern und Buchstaben in die Krise bringt, drängt sich der Gedanke auf, dass solche Emendationen weit leichter in einem Datenbestand durchzuführen wären, der in elektronischer Form vorläge. Sicher haben auch Herausgeber und Verlag diese Idee schon erwogen, mit all ihren Vorteilen, aber auch verwaltungsmäßigen und rechtlichen Problemen.
Unter der kleineren Zahl der ins Lexikon neu Aufgenommenen finden sich Namen wie Jörn Arnecke, Jani Christou, Poul Ruders und Martin Smolka. Wieder fällt auf, dass mit einem sehr weiten Blick auf das Musikleben auch Randständiges erfasst wird: etwa der halb als Amateur einzuschätzende Lord Berners und der als Pianist weit berühmtere Glenn Gould, der jedoch durch seine radiofonen Arbeiten auch als Autor Bedeutung hat. Was die ausführlichen Komponisten-Porträts betrifft, so bildet diesmal die umfangreiche, fast eine kleine Monografie für sich ausmachende Würdigung György Ligetis ein besonderes Highlight, aber auch Violeta Dinescu, Wolfgang Fortner und Jacqueline Nova erfahren in den beiden jüngsten Lieferungen der Komponisten der Gegenwart jeweils eine detaillierte Dokumentation.
Gerhard Dietel