Landkammer, Joachim
Kleine Typologie der Laienmusiker
Eine Rezension eines Buchs über Laienmusiker in einer Zeitschrift, die überwiegend von professionellen Musikern gelesen wird? Bringt der Blick über den Tellerrand des eigenen Tuns irgendwelche Erkenntnisse?
Da sowohl der Amateur als auch der Profi beim Musizieren zumeist in einer Gemeinschaft (Gleichgesinnter bzw. fast gleich Bezahlter) agiert, gibt es in beiden Organisationseinheiten als Vereinsmitglied eines Liebhaberorchesters oder als Angestellter nach Tarifklasse A‑D im städtischen Orchester Musizierende mit unterschiedlicher charakterlicher Disposition, denen Typisches anhaftet. Diese schwebten dem Autor Joachim Landkammer beim Abfassen seiner Beschreibungen von Laienmusikern vor. Um kompetent das vielschichtige, sensible Wesen des Laienmusikers zu erschließen, muss man ihn gut kennen. Dafür hat der Autor alle Voraussetzungen: Als dilettierender Cellist und Klavierspieler hat er nicht nur einschlägige Erfahrungen, auch als Wissenschaftler beschäftigt er sich mit dem Dilettantentum und der Musikkritik. Die Typologien sind seit 1998 für die Zeitschrift Das Liebhaberorchester entstanden und für die vorliegende Buchausgabe überarbeitet worden.
In 33 Kapiteln werden die eigenartigsten Typen aufs Korn genommen: Der alte Hase, der sich mit seinen immer wieder erzählten Anekdoten und nicht primär mit seinen erworbenen Fähigkeiten in Szene setzt; Der Nörgler, der die Kunst der Motz-art beherrscht; das in die Jahre gekommene, an seinem Stuhl und seiner Position klebende Gründungsmitglied, das aber als lebendes Realsymbol unserer eigenen Vergangenheit und Zukunft zu behandeln ist und nicht als rücksichtslos austauschbares Menschenmaterial. Die mit besonderen musikalischen Fähigkeiten ausgestatteten Kollegen kommen um Seitenhiebe auch nicht umhin, wie Der Klangästhet, Der Perfektionist und Der Vom-Blatt-Spieler, der sich nicht der Sklaverei des Profis des Immer-wieder-und-jedesmal-besser-machen-Müssens unterwerfen will, sondern weiß: Entweder es klappt sofort oder nie. Besonders amüsant ist das Kapitel über die Blechbläser, in dem aus der griechischen Mythologie der Wettstreit zwischen Apollon, dem Saiten-Gott, und dem Aulos blasenden Marsyas, dem Bläser-Grobian, bemüht wird. Kritisch beäugt wird die Rolle des Einwechselspielers, eines Musikers, der häufig vom Dirigenten für die schwierigen Soli mitgebracht wird. Schließlich gebührt auch dem Imperator minimaximus hordo dilettantorum, sprich: dem Dirigenten, ein eigenes Kapitel.
Die Kleine Typologie der Laienmusiker ist eine bis an die Grenzen der Karikatur reichende Beschreibung dieser unverzichtbaren Spezies des Musiklebens, die vom Autor psychologisch durchleuchtet wird. Mit seinem Wortwitz, eigenen Wortschöpfungen und vielfältigen hintersinnigen Anspielungen beschert er dem Leser auch dem Profi eine geistvoll-amüsante Lektüre, hinter der sich auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft zeigt.
Ein besonderes Lob hat der Verlag der Kunstagentur Dresden für die grafische Gestaltung des Buchs mit Initialen in moderner Typografie verdient.
Heribert Haase