Rudolf Mauersberger
Klaviertrio c-Moll
RMW 448 für Violine, Violoncello und Klavier, Partitur und Stimmen
Wenn beim Durchspielen des ersten Satzes gleich mehr als 20 Fehler allein in der Klavierstimme auffallen, ist das schon irritierend. Und es ist in den folgenden Sätzen nicht wesentlich besser: Zahlreiche verkehrte oder fehlende Vorzeichen, vertauschte Notenschlüssel, vergessene Satzangaben und offenkundig falsche Noten sorgen keinesfalls dafür, dieser Notenausgabe in irgendeiner Form zu trauen. Als Beispiel seien die Takte 40 und 182 im letzten Satz genannt. Beim ersten fehlen vier b-Vorzeichen im Klavier, beim zweiten noch einige mehr im Klavier und in den beiden Streichern.
Eigentlich handelt es sich um ein sehr ansprechendes romantisches Klaviertrio, welches Rudolf Mauersberger während seiner Leipziger Studienjahre als 25-Jähriger komponierte. Es ist in einem frischen, melodisch einfallsreichen und harmonisch teils konventionellen, teils mit überraschenden Harmoniewechseln versehenen Stil komponiert. Im Frühjahr 1914 ist es erstmalig aufgeführt worden und noch im selben Jahr wurde es mit dem Arthur-Nikisch-Kompositionspreis ausgezeichnet.
In einer Aufführungslänge von knapp 30 Minuten entfalten sich vier charakterlich unterschiedliche Sätze. Der erste ist geprägt von einem dunkel gefärbten Adagio-Abschnitt und einem bewegungsintensiven Presto im 9/8-Takt, welches stark an eine Tarantella erinnert. Es folgt ein aus Beethoven’scher Rhythmik entwickelter Trauermarsch mit kurzem Trio. Auch das leichtfüßige Scherzo ist im klassischen Formsinn gehalten, mit einer verspielten Musette als Trio. Der virtuose Schlusssatz ist vielfältig in der Themenanlage und mit farbigen Harmoniewechseln. In dem Moment, wo das Allegro-vivace-Grundtempo vom 4/4-Takt in einen 12/8-Takt übergeht – das sind die letzten 39 Takte des Werks –, wird zudem eine zyklische Verbindung zum Kopfsatz deutlich.
Die Notenausgabe ist mit einem ansprechenden, gut gestalteten Deckblatt versehen. Nach einem informativen Vorwort von Gerhardt Uhle und kurzen biografischen Angaben zum Komponisten sind auf etwas mehr als zwei Seiten die editorischen Entscheidungen aufgelistet. Diese würden sich bei einer dringend notwendigen Neuausgabe sicher verdoppeln. Darin müssten dann die zahlreichen Fehler, Irrtümer und Verwechslungen aus den 65 Seiten Notentext in der Klavierpartitur und in den Stimmen der beiden Streichinstrumente korrigiert sein.
Gedacht war die Herausgabe des Klaviertrios anlässlich des diesjährigen 50. Todestags des Komponisten. Rudolf Mauersberger war über vier Jahrzehnte Kreuzkantor in Dresden. Viele seiner Kompositionen sind deswegen geistliche Chormusik, vor allem für Knabenchor. Bekannt ist sein Dresdner Requiem. Kammermusik komponierte er sonst nicht, mit Ausnahme eines frühen Streichquartetts in fis-Moll. Sein Klaviertrio könnte, vorausgesetzt es wird vom Merseburger-Verlag noch einmal gründlich redigiert, eine Bereicherung im Konzertrepertoire werden.
Christoph J. Keller