Smutny, Daniel
Klaviersonate/Symphonie/Divertimento di Ferne Nähe/Streichquartett/Velouria (II)
Das Booklet ergeht sich in wohlformulierten Deutungsversuchen, Beziehungen und Gegenläufiges werden pointiert in Worte gefasst. Doch Smutnys Musik spricht für sich und könnte fast ohne begleitende Worte geliefert werden.
Hat man die Kompositionsjahre 2005 bis 2012 vor Augen und betrachtet das etwas introvertiert wirkende, schwarz-weiß fotografierte Porträt Smutnys, dann klingt die Klaviersonate (2011), mit der diese CD beginnt, überraschend. Überraschend emotional, spätromantisch in Expressivität und Länge der musikalischen Bögen, in Harmonik und Form. Sie steckt voller wunderbarer Einfälle aber zeugt auch von virtuosem Umgang mit erprobten Effekten. Neue Musik, die ohne jedes experimentelle Suchen auskommt und in keine Schublade passt, von Christopher Hinterhuber hervorragend interpretiert.
Smutnys erste Symphonie (2012) ist einsätzig und stellt zu Beginn kurze expressive Kantilenen gegeneinander. Ein Spiel mit Klangfarben, voller Überraschungen. So wird der langsame Beginn von herzhaft hineinsägenden hohen Streichern unterbrochen, der sinfonische Wohlklang ist längst ohnehin einem düsteren Dräuen gewichen und doch blitzt immer wieder ein harmonischer Sonnenstrahl durch. Das MDR Sinfonieorchester Leipzig unter Torodd Wigum kostet diese Expressionalität aus, gefällt mit großem kultivierten Klang und verdient gute Lautsprecher, damit man die vollen Sounds recht genießen kann. Bis zum Ende bleibt es ziemlich gespannt.
Das Divertimento di Ferne Nähe (2011) beschreibt Smutny im Booklet selbst: Ferne Nähe ist eine Detail- und Versuchsstudie über die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen in einer nach Perfektion und Maximierung strebenden Welt. Das mag man zwar nicht unbedingt sofort heraushören, doch gefällt die an ein Kammerorchester erinnernde Oktettbesetzung (Ensemble Courage) mit ihren frischen, selbstbewussten Streichern und den virtuosen Bläsern sehr, und die vielen Brüche und Modulationen, wieder einmal zum kompositorischen Prinzip erhoben, ergeben ein faszinierendes Gesamtwerk. Es erinnert streckenweise überdeutlich an bereits Bekanntes und ist trotzdem ein extrem hörenswertes Original.
Das Streichquartett (2009) ist viersätzig angelegt und, wie alles auf dieser CD, erstklassig eingespielt. Kontraste und Brüche und nach außen gerichtetes Empfinden in anscheinend strenger Form machen deutlich, warum Smutny unter der mönchisch schlichten Frisur und dem fast noch jungenhaften Gesicht letztendlich doch verschmitzt lächelt. Ein abwechslungsreiches, gut gelungenes weiteres Werk, mit herrlichem Ende nach rasantem Galopp.
Velouria (II) von 2005 ist für Vokalensemble a cappella komponiert und Smutny zeigt, dass er auch Stimmen erstklassig setzen kann. Hölderlins Geh unter, schöne Sonne liegt hier zugrunde, mit viel harmonischem Feinsinn spürt Smutny dem Textgehalt nach. Das SWR Vokalensemble Stuttgart hat hörbar Freude daran, intoniert sauber und geizt nicht mit Klang.
Heike Eickhoff