Michael Töpel

Klaviersextett

für Klavier und Streichquintett

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Merseburger
erschienen in: das Orchester 03/2022 , Seite 67

Dass der 1958 in Bremen geborene Michael Töpel ein erfahrener Herausgeber von zahlreichen Erstausgaben, Arrangements und Klavierauszügen ist, wird hinlänglich bekannt sein. Über drei Jahrzehnte war er als Lektor im Bereich der Neuen Musik tätig. Als Komponist hat er zudem Verschiedenes beim Merseburger und Pan Verlag veröffentlicht.
Sein Klaviersextett wurde im Januar 1999, ursprünglich als Quintett, komponiert. Diese Urfassung wurde im April desselben Jahres in Bremen uraufgeführt. In den Folgejahren hat der Komponist das Kammermusikwerk weiter bearbeitet und 2021 mit einem zusätzlichen Kontrabasspart versehen.
Das dreisätzige, etwa eine Viertelstunde dauernde Klaviersextett ist in freier Tonalität komponiert. Ruhige Zeitmaße überwiegen und geben den Interpreten, trotz genauester Notation, genügend Freiraum zur Interpretation. Zeitgenössische Spieltechniken, wie etwa rhythmisches Klopfen, Bogengeräusche und unterschiedliche Flageoletts der Streicher oder Resonanztechniken beim Klavier, werden dezent eingesetzt.
Das Prélude im Lento parlando ist ein ausdrucksvolles Stimmungsbild. Aus dem Grundintervall der Quinte entwickelt der Komponist eine sich klanglich und rhythmisch immer mehr verdichtende Kulmination, die sich gegen Ende dieses ersten Satzes in ruhige, sich verflüchtigende Klänge auflöst. Im Andante flessibile des zweiten Satzes ist der „Meeresatem der Gezeiten“ in den ruhig fließenden Viertelbewegungen der Streicher besonders spürbar. Michael Töpel komponierte das Werk in seiner Rohfassung während eines Stipendienaufenthalts im Paul-Ernst-Wilke-Atelier bei Bremerhaven an der Nordseeküste. Er selbst spricht im Vorwort vom Erlebnis der Dramatik der Winterstürme und der anschließenden Stille. Dieser sich allmählich entwickelnde Satz gipfelt in wuchtigen, gravitätischen Klavierakkorden, bevor sich alles wieder mit den ruhig fließenden Melodielinien auflöst und am Ende in der Violine in der Höhe verflüchtigt.
Der mit schnellen Achteln konzipierte dritte Satz Ritmico erinnert in seiner rhythmischen Variabilität und der harmonischen Dichte an Olivier Messiaen. Hier bietet der Mittelteil im Lento cantabile der ersten Violine ein weich zu spielendes expressives Solo, das vom Violoncello in freier Gestik weitergeführt wird. Am Ende kulminieren alle Stimmen in einem akkordisch dichten Trauermarsch.
Die sechs Instrumente sind in dem Kammermusikwerk gut und flexibel eingesetzt. Der Klavierpart ist abwechslungsreich und benutzt die ganze Klangpalette des Instruments. Durch die Eigenständigkeit der einzelnen Stimmen bietet das Klaviersextett auch kammermusikalisch einiges an Herausforderung, was für professionelle Musiker aber gerade den richtigen Anreiz bilden dürfte.
Die Edition ist gründlich gearbeitet. Partitur und Stimmen sind sehr gut lesbar und übersichtlich gesetzt. Ein instruktives Vorwort des Komponisten und einige biografische Angaben ergänzen die Ausgabe.
Christoph J. Keller