Johannes Brahms
Klavierquintett in f op. 34
Partitur und Stimmen
Brahms’ Klavierquintett stellt aufgrund seiner verwickelten Entstehungsgeschichte und der damit verbundenen unübersichtlichen Quellensituation jede Notenausgabe vor erhebliche editorische Herausforderungen. Der Herausgeber der Neuausgabe im Bärenreiter-Verlag, Daniel F. Boomhower, tut deshalb gut daran, als Ergänzung zum Kritischen Bericht dem Notenteil eine ausführliche Einleitung – dankenswerterweise auf Englisch und auf Deutsch abgedruckt – voranzustellen.
Diese bringt eine kompakte und gut nachvollziehbare Darstellung der sich über mehrere Jahre ausdehnenden Entstehungsgeschichte des Quintetts von der ursprünglichen, nicht mehr erhaltenen Fassung als Streichquintett über die Fassung als Sonate für zwei Klaviere bis hin zur endgültigen Klavierquintettfassung. Damit einher geht die Beschreibung der für die Neuausgabe verwendeten Quellen.
Boomhower stellt seine Edition auf eine breite Quellenbasis, die auch die Überlieferung zur zweiklavierigen Sonatenfassung (einige Jahre nach dem Klavierquintett als op. 34b veröffentlicht) einbezieht. Er hat sich dafür entschieden, die autografen Quellen des Klavierquintetts stärker zu gewichten als die späteren, also den Erstdruck und die Brahms’schen Korrekturen der Druckfahnen, denn „hier fand nämlich die intensive und detaillierte Auseinandersetzung mit der Komposition statt. Zu dem Zeitpunkt, als Brahms die Druckfahnen durchsah, erreichte seine Arbeitsweise diese Intensität nicht mehr; dies betrifft insbesondere die dort mit weniger Sorgfalt behandelten Ausführungsanweisungen wie die Platzierung von Crescendo- und Decrescendo-Angaben […].“ Diese Entscheidung setzt sich bewusst, so räumt Boomhower ein, „der Kritik der Überbewertung des Autographs“ gegenüber den Lesarten letzter Hand, also des von Brahms durchkorrigierten Erstdrucks, aus.
An mehreren Beispielen erläutert Boomhower ferner Artikulationsdifferenzen in den Instrumenten untereinander. Diese löst er, indem zusätzlich zu den originalen Bögen gestrichelte Bögen aus Parallelstimmen oder -stellen gesetzt werden, sodass zwei Artikulationsvarianten zugleich im Notentext sichtbar sind. Nutzer der Ausgabe werden dadurch nachdrücklich aufgefordert, sich vor interpretatorischen Entscheidungen mit den unterschiedlichen Lesarten zu befassen.
Das Notenbild der im bärenreiter-typischen Großformat gedruckten Ausgabe ist übersichtlich und klar und erfüllt alle Maßstäbe eines hochprofessionellen Notensatzes. Auf Fingersätze wird verzichtet; wer auf solche Wert legt, sollte auf andere Ausgaben ausweichen. Als Notenausgabe für die Praxis auf breiter Quellenbasis ist die vorliegende Neuausgabe, auch wenn die oben angesprochene editorische Prämisse nicht überall Beifall finden wird, eine zuverlässige und erwägenswerte Alternative zur Henle-Ausgabe, die ihrerseits dem Text der neuen Brahms-Gesamtausgabe folgt.
Christian Ubber