Wilms, Johann Wilhelm

Klavierquartette

hg. von Christian Vitalis, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2015
erschienen in: das Orchester 05/2015 , Seite 73

„Seine Musik brachte Zeitgenossen zum Schwärmen ob ihrer Lebhaftigkeit, Frischheit, Heiterkeit in den Ideen und der Ausführung“, so Ernst A. Klusen in seinem Vorwort zu einer weiteren Neuausgabe zweier Kammermusikwerke von Johann Wilhelm Wilms. Der Band 41 der Reihe „Denkmäler Rheinischer Musik“ von der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte widmet sich in einer kritisch-revidierten Neuausgabe erneut dem Schaffen des 1772 im rheinisch-bergischen Witzleben geborenen Komponisten, Pianisten und Musiklehrers, und zwar den beiden Klavierquartetten opp. 22 und 30. Bereits 2004 und zuletzt 2007 waren Werke von ihm veröffentlicht worden. Wiederum zeichnet Christian Vitalis, wie bei den früheren Ausgaben, als Herausgeber verantwortlich.
Die beiden vorliegenden Klavierquartette in C-Dur und F-Dur entstanden in Wilms’ Wahlheimat Amsterdam wohl zwischen 1800 und 1806, Letzteres vor 1812, und sind beide seiner Schülerin Mademoiselle E. Meyer gewidmet. Der Verlag Hummel in Amsterdam und Berlin publizierte Ersteres 1808, eine Neuausgabe erschien 1812 bei Hofmeister in Leipzig, wo noch im selben Jahr ebenso das Opus 30 herauskam.
Wilms, der von einem Komponisten erwartete, dieser müsse „eine Vorahnung von der Harmonie haben, die in dieser Welt sein könnte“, soll beiden Werken unterschiedliche Konzepte zugrunde gelegt haben: Zum einen ist das op. 22 ein viersätziges Kammermusikwerk, welches „dem Gebot der Gleichberechtigung aller Stimmen des klassischen Quartetts“ nachkommt; das dreisätzige op. 30 dagegen stellt sich als verkapptes Klavierkonzert heraus, das von einem Streichtrio mehr oder weniger begleitet wird, so wie es bereits „in der Vorklassik von Johann Christian Bach besonders gepflegt“ wurde. Wilms wollte nach Ansicht Klusens hier seiner Schülerin – und vermutlich auch anderen, denen ein öffentliches Podium noch nicht offen stand – ein „zeitgenössisches Werk an die Hand geben“. Mit solch einem in kammermusikalischer Besetzung komponierten Werk konnte bestens im häuslichen Rahmen geprobt werden, um sich so dem „Ernstfall eines ausgewachsenen Klavierkonzertes“ stellen zu können. So stattete er bewusst „den Klavierpart nicht ohne mit der großen Attitüde des Tastenvirtuosen, mit jenem Repertoire an Spielfiguren“ aus, wobei er jedoch auf allzu virtuos anmutende „Techniken wie Trillerketten, Doppeltriller oder das Überschlagen der Hände“ verzichtete. Aber auch die Streicher sind genug beschäftigt. So erwartet den Hörer und den Spieler gleichermaßen ein „musikalisches Rallye-Cross, das bei jeder Biegung, hinter jeder Kuppe aufregende und unterhaltsame Überraschungen“ bereithält.
Auch in seinem op. 22 zieht Wilms die Aufmerksamkeit seiner Hörer mit der „langsamen Einleitung“, die nur aus einem paukenschlagartigen, oktavierten Ton besteht, und mit ein paar „verheißungsvollen Motiven“ gleich in den Bann. Wilms folgt dem üblichen Sonaten-Muster mit Variationensatz. Ihm sei Form „keine starre Schablone“, sondern „organisches Gebilde.“
Werner Bodendorff