Trojahn, Manfred
Klavierquartett
2005-08, Partitur
Früher finanzierte jeder einigermaßen kunstsinnige Fürst, der etwas auf sich hielt und ein Orchester sein Eigen nannte, einen Hofkomponisten. In Zeiten öffentlich finanzierter Orchester und Opernhäuser hat sich das Konzept des “Composer in residence” indes leider nicht flächdeckend erhalten. So sind, von ganz wenigen Ausnahmen einmal abgesehen, zeitgenössische Komponisten heute mehr denn je auf einen Zweit- oder Drittberuf wie Dirigent oder Hochschullehrer zum Broterwerb angewiesen oder eben auf singuläre Kompositionsaufträge von Festspielen, öffentlichen Einrichtungen oder Ensembles.
Manfred Trojahns Klavierquartett liegt ein solcher Auftrag zugrunde; hier haben sich sogar gleich mehrere Initiatoren zusammengetan und bei dem 1949 geborenen Komponisten ein geradezu klassisches Kammermusikwerk “bestellt”. Entstanden sind die vier Sätze für Klavier, Violine, Viola und Violoncello in einem relativ großen Zeitraum. Und zumindest das dem Komponistenkollegen Wilhelm Killmayer zum 80. Geburtstag gewidmete Finale wurde auch bereits separat vor dem Gesamtwerk (ur-)aufgeführt.
Manfred Trojahns wunderbar klare Handschrift wird nicht nur in diesem beweglichen, motorisch leichtgängigen “Wanderlied” augen- und ohrenfällig. Der Komponist erhebt in allen vier Abschnitten seines Klavierquartetts klassische Durchsichtigkeit zum allerersten Gestaltungsprinzip. Fast möchte man auf den ersten Blick meinen, einem viel älteren, vielleicht neoklassizistischen Werk gegenüberzustehen. Trojahns Musiksprache gründet auf klassische Tonerzeugung, kommt ohne Effekthascherei oder vordergründige, auf die Spitze getriebene Virtuosität aus und klingt dennoch frisch und unverbraucht.
Der Instrumentalsatz ist in allen vier Stimmen und ganz besonders im Klavier transparent, konturenreich und ausgewogen; die drei Streicher und der Pianist sind gleichberechtigte Partner in einem gut verzahnten und prägnant gesetzten Stimmengeflecht. Zudem arbeitet Manfred Trojahn mit einer großen klanglichen Dynamik, und auch in Sachen Tempo schöpft der Komponist eine große Bandbreite aus. Daraus entstehen nicht erst im angesprochenen finalen “Wanderlied” musikalisch tiefenscharfe, ja sogar robust wirkende Bilder. Die einleitende Trauermusik für Christian Martin Fuchs, den Librettisten von Manfred Trojahns 2008 in der Dresdner Semperoper uraufgeführten Oper La grande magia, legt dafür ein ganz beredtes Zeugnis ab: Große Lautstärkedifferenzen, markante Akzente, gut konturierende Stimmdopplungen und eine ausgefeilte rhythmische Anlage ermöglichen dem Zuhörer einen ganz unmittelbaren und unverstellten, direkt erlebbaren Zugang zu diesem Klavierquartett.
Daniel Knödler