Mahler, Gustav

Klavierquartett a-Moll

hg. von Christoph Flamm, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2015
erschienen in: das Orchester 02/2016 , Seite 69

Das Kammermusikschaffen Gustav Mahlers beschränkt sich auf einen einzigen Klavierquartettsatz in a-Moll, den der etwa 16-jährige Wiener Konservatoriumsstudent als Handschrift hinterlassen hat. Erst fast hundert Jahre nach Entstehen, im Jahr 1973, erschien im Hamburger Sikorski-Verlag eine erste Ausgabe dieses Stücks, herausgegeben von Peter Ruzicka.
Das noch ganz in romantischem, Brahms-nahem Duktus geschriebene Quartett bringt etliche editorische und aufführungspraktische Probleme mit sich, zum einen, weil Schreibflüchtigkeiten des Komponisten beurteilt bzw. korrigiert werden müssen, zum anderen, weil der Klaviersatz Mahlers im Unterschied etwa zu Brahms oft recht „unhandlich“ ist. Der Nicht-Pianist Mahler schreibt ja auch in seinen späteren Liedern, soweit er sie mit Klavierbegleitung parallel zur Orchesterfassung ediert hat, einen recht sperrigen Klavierpart, der das Pendel zwischen authentischem Klaviersatz und Klavierauszug-typischem Klangbild oft zugunsten des Letzteren ausschlagen lässt.
Im Fall des Klavierquartetts sieht sich der Pianist neben recht ausgearbeiteten Akkordbegleitungen in Achteltriolen manchmal mit leeren Basstremoli (Takte 88 ff. etc.) konfrontiert, mitunter setzt auch schon einmal eine unschöne kleine Septime im Bassbereich die vorangehenden Oktaven fort (Takte 104, 108), in den Takten 148 bis 150 vermisst man die Oktavierung des Basstons es, und anderes mehr. Vor allem aber behindern zahlreiche Doublierungen einzelner Töne und sogar ganzer Akkorde (Takte 104, 108) in beiden Händen ein flüssiges Spiel. Diese satztechnischen Mängel wird der gewiefte Pianist mit entsprechenden Arrangements umgehen müssen, die von den vorliegenden Ausgaben wie vom Manuskript abweichen.
Die neue Henle-Ausgabe hat einige Irrtümer der Sikorski-Ausgabe bereinigt, zum Beispiel in Takt 96 den offensichtlich fehlenden Auflöser auf Zählzeit 3 (g!) in Klammern hinzugesetzt und die Takte 88/89 und 114/115 um fehlende Oktavierungen sinngemäß ergänzt. Vor allem aber ist das Partiturbild erheblich augenfreundlicher als in der alten Ausgabe, weil man 23 Seiten (statt damals 20) aufwendet. Auch die Wendestellen liegen dadurch günstiger.
Mahler hat in seinem Manuskript keine dynamischen Angaben gemacht. Ruzickas in Klammern vermerkte dynamische Vorschläge waren aufführungspraktisch durchaus sinnvoll und wären auch in der neuen Ausgabe hilfreich, während man auf die Fingersätze, die Henle neu einbringt, bei einem so kompakten Klaviersatz gut verzichten könnte. Notenbild, Stichnoten und Wendestellen der Streicherparts sind in der Henle-Ausgabe mustergültig ediert.
Rainer Klaas