Maurice Ravel /Georges Bizet

Klavierkonzert G-Dur/Pava-ne pour une infante défunte/Sinfonie C-Dur

Uta Weyand (Klavier), Nordwest-deutsche Philharmonie, Ltg. Yves Abel

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Ars Produktion
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 72

Das klassische Frankreich – oder vielmehr: die Liebe Frankreichs zur Klassik. Dies könnte als Motto über der vorliegenden CD stehen. Da gibt es zum einen die Sinfonie C-Dur des gerade einmal 17-jährigen Georges Bizet – ein durchweg gut gelauntes Werk, bei dem man sich fragt, warum der jugendliche Komponist es nach Vollendung in der Schublade verschwinden ließ. Von Romantik – französischer wie auch deutscher – ist in dem Viersätzer nichts zu spüren; vielmehr erweist Bizet hier Haydn und Mozart – und vielleicht auch Mendelssohn Bartholdy – seine Reverenz. Aber trotz allen Ehrerweisungen spricht hier bereits ein eigenständiger Meister.
Yves Abel tut gut daran, die Sinfonie aus sich selbst heraus sprechen zu lassen: keine Vorahnungen auf Späteres, keine überdeutlichen Rückgriffe auf Vorbilder. Die Nord-westdeutsche Philharmonie zeigt sich hier, wie auf vielen ihrer früheren Veröffentlichungen, als äußerst zuverlässiger, in allen Instrumentengruppen imponierend besetzter Klangkörper.
Dass es sich hier um eine eher „konventionelle“ Interpretation handelt, in der, anders als bei den meisten anderen Neuaufnahmen von Repertoire aus dieser Zeit, wenig von den Errungenschaften der historischen Aufführungspraxis Platz gefunden hat, ist leicht zu verschmerzen. Die Probleme liegen eher im klanglichen Bereich; doch dazu später.
Uta Weyands Interpretation von Ravels G-Dur-Klavierkonzert zeigt die gleichen Stärken wie Yves Abels Dirigat – vor allem, nebst untadeliger manueller Meisterschaft, die man aber bei Neuaufnahmen von Standardrepertoire voraussetzen kann, einen noblen Verzicht auf Übertreibungen jeglicher Art: Weder werden die Jazz-Anklänge in den Ecksätzen bis zur Karikatur ausgereizt, noch wird der langsame Mittelsatz über Gebühr in die Länge gezogen. Im Gegenteil: Die auf edle Weise schlichte, doch ebenso innige Wiedergabe jenes Adagio assai kann man getrost als einen der Höhepunkte der CD empfehlen.
Schade ist jedoch, dass der insgesamt äußerst positive Grundeindruck der CD durch das Klangbild zumindest relativiert wird. Oberflächlich gesehen handelt es sich um einen warmen und farbigen Grundklang – man denkt an den „philharmonischen“ Wohlklang vergangener Tage. Woran es jedoch mangelt, besonders in den beiden Hauptwerken, ist Transparenz. Vor allem in den bewegteren Sätzen sind wichtige Details der Instrumentation schlicht nicht zu vernehmen, und beispielweise in der Coda des Kopfsatzes von Ravels Klavierkonzert „verklumpen“ Orchester und Klavier ineinander.
Bizets Sinfonie, eigentlich ein schmal besetztes Stück, klingt beinahe spätromantisch aufgepolstert. Die Holzbläser im bukolischen Trio des Scherzos hätten weit mehr Prominenz verdient – und wo sind die Pauken? Etwas mehr Trennschärfe hätte hier zu Erfolg geführt – und der CD zu einem größeren Repertoirewert verholfen.
Thomas Schulz